Mai 31, 2025



Strandspuren 

bei steigendem Pegel



Das Meer kommt heut in Wellen

und wellt an meinen Strand,

weshalb an manchen Stellen

bereits der Landbestand


durch diese Meervermehrung

sich sehr vermindert zeigt

und mir die Nassbescherung

bald übern Nabel steigt.


Als bleigleich schwerer Sinker

steh ich so im Begriff:

Ich geb hier den Ertrinker.

Das Ich als Narrenschiff,


durchfeuchtet, leckgeschlagen

und demnächst sowieso

von Zeh bis Kopf-&-Kragen

weit unter Nullniveau.


Es ist zum Deicherweichen!

Im Sintflutwundergrund

submerse Fragezeichen

bei Tiefsinnschwundbefund:


Ein Spiel mit dem Gewissen –

die Menetekelei

nach schäbigen Prämissen?

Nur Jux und Dollerei?


Zielt nicht das Nichtsgebuhle

hin zum Finalfanal?

Die Endzeitzeichenschule

im großen War-einmal?


Das Meer kommt heut in Wellen,

wellt an den schmalen Strand

zum jambischen Gesellen,

der dort ein Lied erfand.



– sufnus –



Mai 30, 2025

 


einfaches Mosaik



– Da sind die einfachen Pflaster

Sie hüpfen darüber


Dort sind die Steinchen

Sie werfen damit


Da sind die einfachen Fragen

Dort sind die Kinder


Vom Gestern ins Heute

Hüpfen sie

Werfen damit

Stellen sie



– Ubertas –



Mai 29, 2025



Ins ungefähre Blaue fort



 – Fliederstein entschließt sich, aus Gedankenstücken

Eine blaugemalte Welt zu schaffen,

Blau die Häuser, blaugemalt die Brücken,

Blau, sofern entstehend, die Giraffen.


Ohne Schöpferplan will Fliederstein beginnen,

Doch ins Blaue zielt er absichtsvoll,

Um dem Graugemalten zu entrinnen,

Das in seiner Welt nicht gelten soll.


Reines Blau ergießt sich wie aus Himmelskannen

Über Fliedersteins gedachte Welt,

Bläue schäumt in allen Badewannen,

Die er sich in seine Häuser stellt,


Veilchenblaugemalt beginnt der Montagmorgen,

Pflaumenblau lässt Fliederstein ihn gehn,

Blaue Mädchen haben blaue Sorgen,

Blaue Witwen können sich im Spiegel drehn.


Fliederstein – als leite ihn ein Zauberwort –

Nickt zu allem, lächelt, und dann hebt

Er die blaugemalte Welt mit Händen hoch und schwebt

Samt der Welt ins ungefähre Blaue fort …



– Peter Welk –



Mai 28, 2025


 

betrachtungen 
über die natur der dinge



 – das loch an der oberen kante

der zeit ist kein ausgang

im gegenteil ist sein grund

noch immer nicht ausreichend

erforscht


die alten jedoch meinten

das loch sei der ort

da die gottheit der zeit

dauer zuführe


die form der zeit aber ähnle

dem fliegenglas

und wir menschen sind

krabbelnde wesen


krabbelnde wesen aber die

den dingen sinn zusprechen

dem loch etwa

an der oberen kante der zeit



 – charlotte van der mele –


Publikationen bei: anderort – Verlag für Lyrik, Leipzig  



Mai 27, 2025

 


Ein Abschied



 – Euer Kram kann mir gestohlen bleiben,

lang schon frage ich mich, was das soll.

Niese ich, verlangts mich zu beschreiben,

was da läuft! Ich hab die Schnauze voll!

 

Tränenreiche Tage, ewig Flüche,

Berge von Papier im Wertstoffhof,

Verse auf dem Wachstuch in der Küche 

sagen mir: Hör auf, du bist zu doof.

 

Himmelreiche sind des Menschen Wille –

mir reicht dafür schon des Nachbars Feld.

Mittenmang von Klatschmohn und Kamille

kann ich Ich sein, frei und doch ein Held.



– Andrea M. Fruehauf –





Mai 26, 2025

 


anleitung 

zum wolkenabbruch



schritt eins:

sammle alle atemzüge,

die jemals in fenstern festhingen.


schritt zwei:

lege sie vorsichtig ab,

bis sie wolken werden.


schritt drei:

warte, bis

die landschaft

in ihre teile zerfällt.


danach:

öffne das fenster,

trete hinaus

und sammle dich ein.



 – seefeldmaren –



Mai 25, 2025



Idylle


(auf einen Viervierteltakt zu rappen)



 – Es war einmal ein Mensch, der war zufrieden,

Der hatte einen Zaun und einen Hund,

Ihm war der hominide Gang beschieden,

Und zur Beschwerde sah er keinen Grund.


Er hatte außerdem ein Gegenüber,

Das ihm den Zweifel von der Seele nahm,

Er litt an gar nichts – nur am Lampenfieber,

Wenn ihm die Zukunft in die Quere kam.


Zum Beispiel fing sein Nachbar an zu fliegen,

Der Mensch sahs durch den Fensterladenspalt,

Und tags darauf ist er aufs Dach gestiegen,

Und in Gedanken flog er Richtung Wald,


Es hat der Mensch die Arme ausgebreitet,

Und nur der Absprung hätte noch gefehlt,

Der Brustkorb war ihm heldenhaft geweitet,

Der Mensch hat froh bis hundertelf gezählt


Und stieg bei hundertzwölf vom Dach herunter,

Er ging zu Bett und träumte von dem Flug,

Der ihn als Schwalbe aus Papier dann unter

Den Sternen hin zum Kinderspielplatz trug.


Dort ist er lautlos übern Sand geglitten,

Verfing sich jäh in einem Purzelbaum,

Und eine Besenhexe kam geritten –

Dann war er aber aus, der schöne Traum.


Der Mensch ist wieder hoch aufs Dach geklettert,

Und nunmehr hob er wirklich ab und flog,

Ist rein in einen Schweinestall gebrettert,

Als ihn der Wind auf Nachbars Grundstück zog.


Die Zukunft, sprach der Mensch, liegt nicht im Fliegen,

Des Bürgers Zukunft liegt Flugverbot.

Dann ist er einmal noch aufs Dach gestiegen,

Man sah ihn fliegend um den Kirchturm biegen,

Er wollte einen Überflieger kriegen,

(und falls er abgestürzt ist – ist er tot). 



– Peter Welk –