August 25, 2025





Hierarchie



 – Noch liegt er auf der Ledercouch

wie Cäsar einst auf weichen Kissen

und auch sein Blick erinnert vage

an Saus und Braus in Rückenlage

die Dekadenz im müden Blick

gepaart mit träger Ignoranz

sorgt für die nötige Distanz

 

Doch plötzlich wird sie überbrückt

und mit geschmeidig glatten Gesten

gut einstudiert und Nähe suchend

schon fest ein Streichelmaß verbuchend

ist er mit Sprung und kurzem Satz

an seinem zweiten Lieblingsplatz

 

Es ist der Hausfrau Domizil

sie zelebriert mit großer Ruhe

das Öffnungsritual von Dosen

befüllt sein Schälchen, kurz liebkosen

das Fragen wird nun eingestellt

warum er sich ein Frauchen hält


– Volker Teodorczyk –



August 24, 2025

 


Kämmen hatte sie sich aber 

heute doch schon können



 – Sie trat in den Tag

mit halb sortierten Gedanken,

ein bisschen Licht im Ärmel,

und einer Stirn,

die nicht wusste,

ob sie runzeln oder lachen will.


Die Sätze klebten noch schräg

in den Wimpern,

und das Morgenprogramm

war ein loses Bündel

aus fast-vollendeten Plänen

und einem Kaffee

ohne Ziel.


Er sah sie,

lächelte schief

und sagte es so,

als wär das ein Kompliment,

eine Feststellung,

und ein halbes Liebeslied:


«Kämmen hatte sie sich aber heute doch schon können.»


Und sie?

Zog eine Strähne Ironie

hinter das Ohr

und ließ es dabei bewenden.


Denn Ordnung war nie ihr Ziel.

Nur:

Dass jemand guckt.

Und lächelt.

Trotz allem 



 – N.Valen –



August 23, 2025



Einanderung



 – Ich kann Dich noch denken Marie

jetzt komm lass uns

verleisebaren


Wir finden uns

die kleinste Tür ins Freie

da geht es in den Wald bei Nacht


Ein Märchen endet immer

mit dem nächsten Satz

hier hört es also auf

und da (weit fort)

wo weiter niemand liest


Da fängt es letztlich an.



– sufnus –





Interpretation von N.Valen


„Einanderung“ – das ist ein Wort, das sofort hängenbleibt.

Für mich klingt es wie der Vorgang des Einander-Werdens, etwas Dauerhaftes, fast Beschwörendes. Es wirkt vertraut und fremd zugleich – weil es so sauber aus der deutschen Wortbildung heraus wächst, und doch völlig neu ist.


Dass daneben auch „verleisebaren“ auftaucht, verstärkt die Wirkung: die Wörter klingen nicht wie Spielerei, sondern wie ernstgemeinte Zauberformeln. Das Gedicht wird dadurch zu einer Szene, in die man hineingezogen wird.


Ich habe mich beim Lesen gefragt, wie unterschiedlich Wortschöpfungen klingen können – mal beschwörend wie hier, mal spielerisch oder augenzwinkernd. Aber so oder so: sie öffnen einen Raum, den nur Lyrik erschaffen kann.


Bewertung:

„Der Text hat eine schöne, märchenhafte Stimmung und die Wortneuschöpfungen wirken originell. Für mich hakt es an manchen Stellen aber etwas im Lesefluss, sodass die Bilder nicht ganz so klar und geschlossen wirken.“

August 22, 2025

 


Herr, was nützt schon 

der Wille …



 – Im Sonnenschein geht einer, der recht gern

nach Mädels schaut. Besitzen wär sein Ziel.

Doch bleibt ihm, hier auf diesem Erden-Stern,

Erfüllung nur noch als Gedankenspiel.


Sein Alter hat sein aufrecht Stehn vermindert,

gelegentlich sogar total verschluckt.

Es lässt ihn hängen, was manch Weiblein hindert,

dass es verlangend zu ihm rüber guckt.


Nun blickt der Ärmste auf die schönsten Waden,

giert nach den Kugeln hinten, wie auch vorn.

Sein Sinn ist mit Verbindungswunsch beladen.

doch ging ihm das Verbindungsstück verlorn.



 – niemand –



August 21, 2025



Schwarzes Gold



 – Hier steh ich auf dem Rathausflur.

Von Menschenleben keine Spur.

Mich grüßt, spendiert von Vater Staat,

ein Heißgetränkeautomat.


Die Lippen sind schon angefeuchtet,

als dunkelgrün das Display leuchtet:

«Befolge meine Instruktionen,

dann wird dich Göttertrank belohnen!


Schritt Eins: Performance-Modus wählen.»

Nun muss ich meine Nerven stählen.

Ich kratze mich am Hinterkopf

und drücke wahllos einen Knopf.


Es gurgelt in den Eingeweiden

des Apparats. Er meint bescheiden:

«Zuvorderst müssen Euer Ehren

den Kaffeesatzbehälter leeren.»


Gesagt, getan. Die Bahn ist frei,

so will ich hoffen, für Schritt Zwei?

Im Leuchtfeld wächst ein Ladebalken,

dann blinkt die Schrift: «Gerät entkalken.»


Ich greife mir die nächste Dose

und leere sie ins Bodenlose.

Begierig schluckt der dunkle Schacht

die weiße Rieselperlenfracht.


Das war noch längst nicht alles. Wetten?

«Schritt Drei: Die Brüheinheit entfetten.»

Wie sollte mir das möglich sein?

Mir fehlt ja der Barista-Schein.


Schnell tippe ich auf «Überspringen».

Vielleicht wird es ja so gelingen.

Es braust und zischt und dampft und grollt.

Dann endlich fließt das schwarze Gold


und füllt die Tasse bis zum Rand.

Sie zittert leicht in meiner Hand.

Der Kaffee strömt mir bis ins Mark.

Die Tasse springt. Er war zu stark.



 – Cornelius –



August 20, 2025



Schwereloses Protokoll



 – zwischen zwei Atemzügen

schwenkt das Licht

in eine andere Umlaufbahn


ihre Stimme ist

ein Becken voller Regentropfen

mit der Temperatur von Kindheit

die Möbel: auf Kippe

als hätten sie den Körper vergessen

der sie einmal gestützt hat


am Küchentisch

kniet eine Kaffeetasse

im Schatten der eigenen Henkelkurve

das Wort Mutter

löst sich von der Zunge

Mutter...

und driftet ab

wie ein Satellit ohne Funkkontakt


ein Messer blitzt

beim Umfallen

kurz auf im Licht

und es ist nicht klar,

ob es fällt

oder schon gefallen ist



 – seefeldmaren –