Juli 27, 2025




Der Dirigent des Schlafes



 – Es klingt Musik, wie ein Zerreißen

zum atonalen Klang der Welten,

wenn Geigensaiten reißen, spleißen

und Trommeln hämmern, schelten

fast wie bei einer Schlacht.


Leg nun die Hast auf eine Wiese

und fühle Beben und das Weiche,

im Moos zu einer frischen Brise,

Musikmagie der Himmelsreiche

ist in dir eine Pracht.


Und das Orchester sucht nach Noten –

der Dirigent wirkt fast verlegen,

er will noch um sein Schicksal loten

und ahnt den Schlaf, was für ein Segen

alleine mit der Macht.


Nun legt er seinen Taktstock nieder

und sieht die Notenblätter fliegen,

noch rebellieren Sänger Lieder,

ein Xylophon zerbricht, bleibt liegen,

dann schläft der Maestro sacht.



 – Heike –




👉  Eine kurze Interpretation des Gedichts von  – sufnus –


Du hast mich mit diesem prachtvollen Gedicht ja schon längst gewonnen.

Ein bisschen lasse ich die Zeilen aber noch in mir schwingen, bevor ich mich weitergehend äußere. Es gibt da noch ein paar Spannungslinien, bei denen ich noch nicht genau weiß, ob ich die ganz besonders mag und daher unter Bewunderungsschutz stellen möchte oder doch lieber noch etwas «entspannt» sehen wollen würden könnte.

Manchmal braucht das Lesen eines Gedichts so viel Zeit wie das Schreiben. Und das ist eigentlich immer ein sehr gutes Zeichen für das betroffene Werk. 


– sufnus –



Juli 26, 2025


(Bild: KI-generiert)


Täterbeschreibung



 – «Aha, am Auge eine Narbe.

Und seine Haare? Länge, Farbe?»

«Herr Kommissar, das ist nicht schwer.

Er hatte keine Haare mehr!»

 

«Dann seine Kopfhaut, war die eher

dem Dunklen oder Blassen näher?»

«Das weiß ich leider nicht genau,

denn nachts sind alle Glatzen grau.»



 – Stefan Pölt –




Juli 25, 2025

 


V



 – Ich schrei dir ins Gesicht


Internalisierter

Cappuccino

Hundeblick


Hirnverdrehtes

Apfelzimtig

Schöngefärbtes

Sonnenschein

Einmaleins


Düster

Infam

Chronisch

Hoffnungslos


und Vater?



 – Rufus –




👉   Interpretation des Gedichts von – ubertas –


das ist ein emotional aufgeladener Text. Hervorragend! Zwischen Wut, Enttäuschung, Vergebung und vielem mehr. Ich schrei dir ins Gesicht, schrei dagegen. Mir ist, als rührt sich nichts im Gegenüber. Keine Reaktion. Ein Fragezeichen bleibt wie ein Schrei.

Nur Gedanken zu einem außergewöhnlich gutem Gedicht!



👉   Interpretation von – sufnus –


Der Sub-Titel (bzw. die "einzeilige Anfangsstrophe"), also das "Ich schrei dir ins Gesicht", ist mir zu "direkt" und fügt dem Gedicht keine Bedeutungsebene hinzu, es ist eher ein Explizifizieren (weia!), das mit blasseren Worten quasi "doppelt", was bereits im Akrostichon offensichtlich wird.

Als sehr gelungen empfinde ich aber die "Beschimpfungen" der ICH-HASSE-Strophen. Demgegenüber ist die DICH-Strophe vergleichsweise schon recht platt.

Und das "Und Vater?" lässt mir zu wenig Lesespielraum. Vielleicht möchte ich das Gedicht gar nicht mit Fragezeichen lesen. Und auch nicht mit einem beiordnenden "und". Wobei man eine kleine "Auflösung" am Schluss schon als hilfreich empfinden könnte. Oder? Ich grübele.

Nur ausgehend vom Titel "V" (der großartig ist, weil er so viele Denkanknüpfungen anbietet!), wäre ich vermutlich auf alles mögliche gekommen, aber evlt. dann doch nicht auf Vater. Oder doch. Hm. Na … vielleicht doch … doch … schon.

Aber: Ich wär mir meiner Sache nicht sicher gewesen und das wäre dann ja gerade der Kniff bei der Sache. 


 

Juli 24, 2025



Requiem 

für einen Kneipenhund



 – Du hast dein Bestes stets mit Verve gegeben,

meist wars egal, ob mir dies wohlgefiel;

dem Postler ließest du sein Einschubleben –

bei deinem Naturell kein Pappenstiel!

 

Und selbst die Männer, die den Gelbsack holten,

warn guter Dinge – kaum traumatisiert;

nur ein paar Ravern hast du es vergolten,

dass sie dein Ohrenpaar tyrannisiert:

 

Wer wollte solchen Scheiß auch laufend hören?

Mit Sicherheit nicht du – definitiv!

Nicht all dies Scheppern, Trommeln, Lauthalsröhren,

das machte dich zu Recht gleich aggressiv;

 

drum eiltest du herbei, wenn die sich nahten

als Band – und niemals gab es Amnestie!

Goutiertest dich am schmalen Wadenbraten,

mehr aus Prinzip und nicht aus Infamie;

  

im Grunde warst du einfach Pädagoge

und wolltest, dass «Die Zauberflöte» spielt;

deswegen mail ich eine Kurzeloge,

die, hoffnungsfroh, nach ganz weit oben zielt.



– Heidrun Denhardt –



Juli 23, 2025

 


Auserzählte Gedanken



 – Wachsbildplastiken

Seid ihr

Sonnenflecken

Künstlich verdrehte

Flügel

Henkellos intelligent

Im Wald vor Körben

Hergetriebene

Lose Tannenzapfen

Im Tau

Versenkt zu Schnüren

Die es ins Holz treibt

Auf Kopfkissen



– ubertas –



👉  Eine Interpretation von  – N.Valen –

 

Das Gedicht wirkt wie ein Streifzug durch eine fremde Gedankenlandschaft –

Bilder tauchen auf wie Inseln im Nebel: Wachsfiguren, Sonnenflecken,

verdrehte Flügel, Tannenzapfen, die im Tau versenkt werden.


Es ist kein linearer Fluss, sondern eher ein schwebendes Netz aus Eindrücken,

wo sich Natur und Künstliches berühren, ohne dass sie sich zu etwas Ganzem verbinden.

Das erzeugt eine leicht entrückte Stimmung – fast, als würde man einer fremden Logik lauschen, die sich nicht erklären will.


Gerade diese Fragmentierung ist zugleich Stärke und Schwäche:

Sie öffnet Raum für Deutung, aber sie lässt den Leser auch auf Distanz zurück,

weil die Bilder wie lose Knoten wirken, die sich nicht verknüpfen. 

– N.Valen – 


 

Juli 22, 2025

 


Nordfriesische Erinnerung



Hab ein kleines Haus gebaut am Meer

ist ganz einsam aber nicht verlassen

habe dir geschrieben komm doch her

wird schon für uns beide passen


Hat nicht Wand und hat nicht Decke

ist umkränzt vom Tausendgüldenkraut

schmiegt sich an die Binsenquecke

ist für zwei wie uns gebaut 


Hat nicht Schloss und hat nicht Riegel

ist dazu auch spärlich nur möbliert

hab für dich den blauen Meeresspiegel

vor der Haustür frisch poliert


Hab nicht allzu lange warten müssen

lagst auf einmal neben mir im Kraut

war ein Lachen war ein Küssen

haben uns noch mehr getraut


Wilder Sturm obwohl kein Lüftchen weht

und als Riesenringelsocke rot weiß rot

dort der Westerhever Leuchtturm steht

fern am Horizont in großer Not


Ach der olle Leuchtturmwärter Klaas

scheint schon morgens tüchtig duhn

blickt mit einem Auge in sein Glas

lässt das andre auf mir ruhn


Und obwohl wir beide ganz allein sind

sagt er schelmisch - Na ihr zwei

nachmittags im warmen Wind

ist ja schließlich nichts dabei



 – TassoTuwas –

 


Juli 21, 2025



Die Partei der wütenden Männer, 
mit denen keiner fuggen will


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Aufgrund jüngster Geschehnisse

wähle ich nur noch Penisse,

denn gewisse Privilegien

würde ich ganz gern behalten


– im Gegensatz zu meiner Alten!!!


HAHAHA!!


(War natürlich nur Spaß,

ich bin selbstverständlich unverheiratet,

da geistig gesunde Frauen

meine Gesellschaft verabscheuen)


Für mich gibt es jedenfalls

nur noch

die Partei der wütenden Männer,

mit denen keiner fuggen will,


denn hier ist Kompensation

keine Schande,

sondern Kulturkampf.


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Ich stehe auf

breitbeinige Politik

mit Brusthaartoupet,


bedrohliches Flexen

mit Vaterkomplexen


und martialisches Posieren

vor dem eigenen Testosteronspiegel.


Ich wünsche mir eine Regierung

mehrheitlich gewählter

Minderwertigkeitsgefühle,


einen Volks-Babo,

der sich die Demokratie

quer übers Knie legt

und ihr vor johlendem Publikum

den verwöhnten Hintern versohlt.


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Weil ich unendlich männlich bin,

quasi ein paar Hoden auf zwei Beinen,

haben meine Freunde mich "Daddy" zu nennen


und wenn ich Sex hätte,

wäre meine Lieblingsposition

bestimmt die Vormachtstellung.


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Weltweit wieder

einschleichendes Scheichtum

und die regelmäßige Einnahme

penisförmiger Schluckimpfungen

hindern mich zum Glück daran,

darüber nachzudenken,


warum ich es nicht einmal

als privilegierter weißer Heteromann schaffe,

halbwegs zufrieden zu sein.


Nein,

was ich brauche

ist wieder ein starker Mann an der Macht


- und ganz sicher

keine Traumatherapie!!


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– klaatu –




👉  Eine Interpretation des Gedichts von  – ubertas – 
 
Ein Gedicht, das auf mehrfache Weise zum Nachdenken anregt. Was macht es so beeindruckend? Ganz klar, es beleuchtet gleich mehrere Bühnen menschlicher oder noch besser gesagt, unmenschlicher Auftritte.

Nur noch Penisse zu wählen – dort ist er wieder, der altbekannte Schwanzvergleich. Hier allerdings erweitert in seiner Vermessenheit, als Illustration des Festhaltenwollens an bewährten Rollenbildern. Das Bild des starken Mannes, der sich über seinen Hosenstall hinaus, selbst die Legitimation erteilt, andere durch seine «Größe» zu unterdrücken. Darauf spielt «Im Gegensatz zu meiner Alten!!!» gekonnt an. Das Herabwürdigen des anderen, geschlechterfeindliches Verhalten sitzt mit am Ende der Waagschale. Ein klares Schwergewicht: übersteigerte Selbstwahrnehmung.

Das lyrische Ich kommt vor diesem Hintergrund zur einzig möglichen conclusio «Für mich gibt es jedenfalls nur noch die Partei der wütenden Männer, mit denen keiner fuggen will».

Kompensation ist keine Schande, sondern Kulturkampf. Ein denkwürdiger Satz. Was steckt wirklich hinter Hypermaskulinität? Ob auf der politischen Ebene oder zuhause im stillen Kämmerlein ausgelebt, die betätigten Hebel folgen einem einfachen Mechanismus: Zurschaustellung übertriebener Härte, gern verbunden mit hemdsärmeligem Machogehabe, hier mit einem «Brusthaartoupet» schafft Raum für allerlei Allmachtsfantasien. In Wirklichkeit ist dem Großherrentum nur eines gemein: Der Minderwertigkeitskomplex. Um diesen zu kompensieren, bedient man sich an der Frischetheke vermeintlicher Dominanz, Unterdrückung und martialisches Herausputzen wirken fast erotisierend. «Vormachtstellung», das ist sie wohl, die Lieblingsposition einiger Führungsriegen. Ich denke hier bewusst an so manch’ oberkörperfreie Präriereiterei.

Im letzten Abschnitt des Gedichts wird deutlich, wie schädlich diese Instrumentalisierung ist. Wohin führt es die Gesellschaft und den Einzelnen? Woran kann ich mich noch orientieren? Dieses Gedicht legt den Finger auf die zugepflasterten und doch wunden Stellen unserer Wahrnehmung. 

Leben wir wirklich in einer fortschrittlichen und toleranten Umgebung oder zählen noch immer die altbewährten Prinzipien, von denen man sich im öffentlichen Dialog nur allzugerne distanziert?

Mein Fazit: Ein Regime, welches sich den harten Kerl auf die Fahnen stickt, ist nur eines und zwar schwach. Genauso wie es der Einzelne in solchen Systemen nur werden kann, ebenfalls schwach, weil er dem gleichen Irrtum unterliegt, dass Stärke und Macht wohl nur durch Verblendung des Verstandes erreichbar wären.

 – ubertas –