Steinweg
– eine ameise trägt
den glanz von glas
in ihrem maul
es könnte
der funke sein
der den weg zündet
– seefeldmaren –
– Müller fährt mit seinem Selbst
immer auf der größten Straße,
und sein Selbstgefährt besitzt
dabei fahrbahnbreite Maße.
So begleitet seine Spur
manches Fluchwort, «Fort mit Schaden!»,
«Schwachkopf!», «Dödel!», Müller folgt
trotzdem stur den Aneckpfaden.
Doch ist Müllers Reisenorm
auch ein Spiel mit Karmalaunen:
Kommt ein «Bitte-wenden-Schild»,
sieht man Müller stehn und staunen.
– sufnus –
– Entschuldigung, ich heiße Möppelbömm.
Sie heißen, wetten?, nicht so. Mein Problem
Ist gar nicht mal mein Name, vielmehr wohne
Ich armes Schwein in häuslichem Verbund
Zusammen mit Pauline, einem Hund,
Ich wohne lärmgestört und unbequem.
Sie sehens selbst: Es treibt mich auf die Treppe,
Wenn sich die Bestie in der Luft zerreißt,
Sie kläfft mich an, als hätt ich ihr ins Fressen
Was weiß ich, Rattengift gemischt,
Hätt ihr eins übern Latz gewischt,
Ein böser Geist hat mich mit der verschweißt.
Ich heiße Möppelbömm, und von Natur
Bin ich ein ausgesprochen stilles Tier,
In meinen Augen spiegelt sich die Ruhe,
Ich dämmre gern im Schatten einer Truhe,
Mir ist die Sanftmut um den Bart geförkelt,
Ich halt den Schwanz in Eleganz geschnörkelt,
Doch wenn die Bestie naht, jawoll, vajess ick mir!
– Peter Welk –
– Ist dir das Erwachen auf einer Welle zu
Hektisch?
Dabei hast du vom Meer geträumt
Ich möchte dich ins Wasser tragen zur
Grenze
Dort springen wir von der Erde
Ich wünschte du wärst hier um zu
Jubeln!
Denn wir sind befreit worden
Es gibt allen Grund zu feiern zu
Toben
Leg dich in meine Hände
Leg dich zwischen die Handlinien zum
Verreisen
Du wirst nicht einschlafen
Unruhe wird regieren bis zum
Wellenland
Im Wasser wirst du tief schlafen
Ahornbäumchen auf dem Weg zur
Erde
Wasser wird dich im Bauch wiegen
Zähl die Wellen mein Kind
Fühl das Salz auf der Haut
Die kühlen Winde
An der Schwelle der Erde
Riech das Salz mein Kind
Mal die Wellen aus
Sprich Wörter aus Wind
An der Schwelle der Erde
– Max Neumann –
– Ein Text liegt offen.
Kein Schutz. Kein Glanz.
Nur das,
was nicht mehr schweigt.
Die ersten kamen mit weißen Handschuhen,
schnitten sich an Adjektiven.
Sie sagten:
„Interessant.“
Sie sagten:
„Strukturell fragwürdig.“
Dann fraßen sie nur den Anfang.
Der Rest blieb liegen,
wie ein Satz zu viel.
Später schlichen die Hungrigen heran.
Zungen aus Blech,
Augen wie leere Fußnoten.
Sie rochen nichts,
doch kauten gründlich.
Ein Mädchen pflückte sich ein Verb,
steckte es sich hinters Ohr.
Ein Alter schluckte eine Metapher
und schwieg den ganzen Abend.
Ich sah dir zu,
wie du das letzte Stück Bedeutung
vom Knochen löstest.
Mit den Fingern.
Langsam.
Fast zärtlich.
Und als nichts mehr blieb,
setzten wir uns
auf das warme Pflaster
und schrieben den nächsten.
– N. Valen –
Der Himmel ist noch unbeschrieben
im nächsten Morgen zukunftsleicht
und heute ist sie hiergeblieben,
der Tag verneigt sich, Ziel erreicht.
Die Menschen sind so unvollkommen
am Abend, der sich nicht erklärt
ein Tag durch Wimpern und verschwommen
die Nacht beginnend und bewährt.
Im Dunkel hat der Himmel Frieden
und draußen wird nun langsam klar:
Wie reduziert und abgeschieden
ist auf der Welt die Menschenschar.
Der Morgen wird erneut begonnen,
als Mensch der viele Farben mag -
die Wissbegier hat nun gewonnen
für den Moment und jeden Tag.
– Heike –
Eine Interpretation des Gedichts von – sufnus –
«Warum ist das Gedicht schön? – Ich weiß es nicht.
Warum finden wir manche Erscheinungen dieser unvollkommenen Welt schön, und warum finden wir dabei ganz unterschiedliche Dinge schön oder unterscheiden uns untereinander im Schön- oder Nichtschönfinden der gleichen Dinge? (Ich finde Schnirkelschnecken schön. Das fängt schon mit dem wunderbaren Namen an. Wir brauchen unbedingt Schnirkelschneckengedichte! Doch andere mögen das ganz anders sehen.)
Ich kann aber wenigstens eine Stelle benennen, an der ich beim Lesen gedacht habe «Wie schön!» – und mit dem Aufrufen dieser Stelle kommt gleich das nächste Fragezeichen daher: Mein Schönempfinden wurde nämlich von der ersten Zeile der zweiten Strophe wachgekitzelt und das ist doch ein gar wunderlicher Befund, denn eigentlich liefert diese Zeile in gewisser Weise bloß einen ziemlichen Allgemeinplatz ab. So ganz kann ich mir meine Lesefreude an dieser Stelle auch noch nicht erklären, aber ich glaube, es hängt mit den Zeilen davor und danach zusammen.
Zunächst ist nämlich, so allgemeinplätzlich die Rekognsozierung menschlicher Unvollkommenheit sein mag, ist dieses Statement in dem konkreten Gedicht ein sehr clever gesetzter «Themenwechsel» im Vergleich zu dem zu gleichen Teilen ernsten wie vorsichtig-optimistischen Ton der ersten Strophe. Außerdem ist der Satz ja durch den Zeilenwechsel nur unterbrochen aber nicht beendet worden: Die Menschen sind ja nicht im ganz Grundsätzlichen unvollkommen, sondern sie sind es im Zusammenhang mit (nächste Zeile) einem «Abend, der sich nicht erklärt» und – kann das Zufall sein?! – ab dieser Zeile verweigert sich das Gedicht auf so sanfte wie nachdrückliche Weise einer völligen sprachlichen Durchschaubarkeit. Schon unter einem nicht «selbsterklärenden» Abend kann man sich nicht so recht etwas vorstellen, und in den Zeilen 3 und 4 der zweiten Strophe löst sich auch die Grammatik beinahe auf – mit höchster Not kann man sich hier noch durchfinden, aber die Satzbezüge sind hier, nicht zuletzt durch den Wegfall einer Zeichensetzung, geradezu «verschwommen» wie durch «Wimpern betrachtet». Das ist in seiner Gesamtheit schon sehr spannend – aber damit käme ich eigentlich eher zu dem obigen Zweitpunkt der Interessanz. Ich denke, den habe ich hiermit tatsächlich schonmal vertiefend angetippt. Bei der Schönheitsfrage erklärt sich der Kommentator für weitgehend gescheitert.
ps: Zu dem «Interessant-Punkt» nur noch ganz kurz nachgetragen: Da springt ja eigentlich das Ausrufezeichen schon in der ersten Strophe senkrecht in die Höhe, weil listigerweise offengelassen wird, wer mit dem «sie» in der dritten Zeile gemeint ist und was das «hiergeblieben» meinen könnte. Bei letztgenanntem Stichwort weht mich sogar kurz die Frage an, ob hier ganz existentiell das «am Leben bleiben» gemeint ist, und dann bekommt der Text plötzlich ein Erschütterungspotential, das hinter den formal so kundig gefügten Zeilen leicht verborgen bleiben könnte. Es bleibt dann auch letztlich ein uneindeutiger Fall. Offen für viele Auslegungen. Kein Wunder, dass ich mich so freue.»
– sufnus –
– unerkannt, getarnt
unauffällig maus-grau
schlummern in
alp-träumen
verstrickt in
emotionen bunt gemischt
gegen-satz wer findet ihn?
feder-leicht, doch messer-scharf
fristen leben unter spiegel-glatt
warten auf befreiung
auf hilfe-ruf
folgt zweifel-haft
gefühls-echt ist out
gleich-gültig oft das echo
wer lächelt im geheimen
statt weiter-hin zu graben
werfen sinn-lose Worte, einfach nur schlucken
lebens-freude fühlt jeder anders
trauer-zeit niemals endet
wenn grauen mit der
morgen-sonne
an den Himmel steigt
– Aniella Benu –