Dezember 23, 2025



Sterne



 – Nachtfahrt durch die kleine Stadt,

die all unsere Erinnerungen hat.

An jeder Birke hat ein Kuss von uns

Pause gemacht,

bevor er in die letzte Nacht

verschwand.


Dein schwarzes Haarband

liegt in meiner alt gewordenen Hand.

Träfest du mich in dieser Nacht,

du hättest mich nicht mehr erkannt.

Vermutlich hättest du sogar gelacht

über den Mann,

der, angelehnt an deine alte Kinderzimmerwand,

wie damals

Gänseblümchen

band.


Ich binde sie mit deinem alten Band

und bringe sie dir gerne.

Dort am Stadtrand

sagtest du,

dort liegt die letzte Ferne.

Einmal holt uns seine Ruh‘

dann schließen wir die Augen zu

und werden Sterne.



– Dionysos von Enno –


Musik-Link KI

Dezember 22, 2025



Baum und Kind



 – Schmiegst du dich an meine Rinde,

fühlst du ihre Rauigkeit

mit der zarten Wange, finde

ich zurück in deine Zeit.


Schenkt dir meine Kraft ein Lachen,

streichelt mich dein weiches Haar,

möchte ich dich glücklich machen,

so, wie ich es meistens war.


Breite über dich die Äste,

flüstere mit jedem Blatt:

Wachse Seele, such das Beste,

was dein Leben für dich hat.



– Gummibaum –



Dezember 21, 2025



Quak … Quak …



 – Caro Gans und Arro Ganter

waren einst ein Liebespaar.

Zu erinnern wie galant der

Arro Ganter einmal war,

fällt der Caro etwas leichter,

seit sie weiß, dass dessen Glück

mit der Ente, namens Bente,

seichter wird und Stück für Stück

sich verflüchtigt Stund um Stunde,

weil der Nachwuchs, den die hegt,

sie recht stark an die profunde

Mutter-Pflichten-Kette legt.


Arro fühlt sich kaum verpflichtet,

Bente etwas beizustehn.

Seit er eine Schwänin sichtet,

lebt in ihm ein neues Flehn,

lodert hitzig ein Verlangen

nach erneutem Höhenflug,

denn von Bentes Kummer-Wangen

hat der Ganter längst genug.


Und so steht, als stummer Rufer,

an dem Ufer und verzehrt

sich das Manntje heiß nach Svantje,

blütenweiß und unversehrt.

Keine Bange, nicht mehr lange,

und sie kommen nicht umhin,

um den Schmarren sich zu paaren

dort am Ufer, lohend grün.


Und die Caro hegt ein Hoffen,

dass das Ganze lang nicht währt.

Noch ist Arro stark besoffen

von der Liebe, doch das Schwert

der Alltäglichkeit, das baumelt

über beiden. Allenfalls

straft den Arro bald, hofft Caro,

Svantjes all zu großer Hals.



– niemand –



Dezember 20, 2025



Auf Kollisionskurs



 – Ein Mensch, der sich Gedanken machte

und einmal um die Ecke dachte,

bekam fürs Leben einen Schreck,

denn sein Gedanke stieß ums Eck


mit einem anderen zusammen.

Es blieb zum Glück bei leichten Schrammen.

Der Denker dachte außer Haus

von da an stets geradeaus.



– Cornelius  



Dezember 19, 2025



Beim U-Bahn-Fahren



 ein- und ausgeschaltet
das Lächeln einer jungen Frau
im Hin und Her
zwischen einem gesprächigen Schräg-Gegenüber
und dem Handy in ihrer Hand


(als huschte mit den Drehungen ihres Kopfs
das Leuchten
fast im Sekundentakt
vom Bildschirm in ihr Gesicht
und wieder zurück)



 – Christian Fechtner – 


Dezember 18, 2025

 


Nostalgie auf Schienen



 – In gesellschaftlichem Kreise

wird das Wörtchen «Puff» ganz leise

nur genannt, da jedermann

Liebeslust und Liebeslaster

gegen eine Menge Zaster

käuflich dort erwerben kann.


Wird das Wort jedoch verdoppelt

und ans Schienennetz gekoppelt,

dann erscheint mit viel Elan

unter Dampf die hochgelobte,

altbewährte, krafterprobte,

treue Puff-Puff-Eisenbahn.


Mit ein wenig Sachverständnis

reift so langsam die Erkenntnis:

Zweimal Puff erfreut unbändig,

einmal Puff ist unanständig.



  In Erinnerung an 


 – Günter Nehm –




Dezember 17, 2025



mittelmeer



 – wir kreisten um den schlaf

seine dunkle rotation


die nächtliche furcht

wie obst ein nährboden zu werden

brutstätte, mückenlarven im blut


draußen die bloße hypothese: meer

schwarze kubatur, stumm geschaltet


drinnen ein metallischer zustand, angeregt

wir klinken uns ein in den lärm

tauchen hände blind in die mechanik

verankert im takt der fähre


endlich liegen, vollkommen symmetrisch

schwer und kühl wie das ausgelegte silber

wie die unberührten, gefalteten handtücher.



– Kol Deda –