Juli 19, 2025

 


Steinweg



 – eine ameise trägt

den glanz von glas

in ihrem maul

es könnte

der funke sein

der den weg zündet



 – seefeldmaren –



Juli 18, 2025

 


Müller auf Reisen



 – Müller fährt mit seinem Selbst

immer auf der größten Straße,

und sein Selbstgefährt besitzt

dabei fahrbahnbreite Maße.


So begleitet seine Spur

manches Fluchwort, «Fort mit Schaden!»,

«Schwachkopf!», «Dödel!», Müller folgt

trotzdem stur den Aneckpfaden.


Doch ist Müllers Reisenorm

auch ein Spiel mit Karmalaunen:

Kommt ein «Bitte-wenden-Schild»,

sieht man Müller stehn und staunen.



 – sufnus –



Juli 17, 2025



Möppelbömm





 – Entschuldigung, ich heiße Möppelbömm.

Sie heißen, wetten?, nicht so. Mein Problem

Ist gar nicht mal mein Name, vielmehr wohne

Ich armes Schwein in häuslichem Verbund

Zusammen mit Pauline, einem Hund,

Ich wohne lärmgestört und unbequem.


Sie sehens selbst: Es treibt mich auf die Treppe,

Wenn sich die Bestie in der Luft zerreißt,

Sie kläfft mich an, als hätt ich ihr ins Fressen

Was weiß ich, Rattengift gemischt,

Hätt ihr eins übern Latz gewischt,

Ein böser Geist hat mich mit der verschweißt.


Ich heiße Möppelbömm, und von Natur

Bin ich ein ausgesprochen stilles Tier,

In meinen Augen spiegelt sich die Ruhe,

Ich dämmre gern im Schatten einer Truhe,

Mir ist die Sanftmut um den Bart geförkelt,

Ich halt den Schwanz in Eleganz geschnörkelt,

Doch wenn die Bestie naht, jawoll, vajess ick mir!



 – Peter Welk –



Juli 16, 2025

 


Schwelle der Erde



 – Ist dir das Erwachen auf einer Welle zu

Hektisch?

Dabei hast du vom Meer geträumt


Ich möchte dich ins Wasser tragen zur

Grenze

Dort springen wir von der Erde


Ich wünschte du wärst hier um zu

Jubeln!

Denn wir sind befreit worden


Es gibt allen Grund zu feiern zu

Toben

Leg dich in meine Hände


Leg dich zwischen die Handlinien zum

Verreisen

Du wirst nicht einschlafen


Unruhe wird regieren bis zum

Wellenland

Im Wasser wirst du tief schlafen


Ahornbäumchen auf dem Weg zur

Erde

Wasser wird dich im Bauch wiegen


Zähl die Wellen mein Kind

Fühl das Salz auf der Haut

Die kühlen Winde

An der Schwelle der Erde


Riech das Salz mein Kind

Mal die Wellen aus

Sprich Wörter aus Wind

An der Schwelle der Erde



– Max Neumann –



Juli 15, 2025

 


Restwärme



 – Ein Text liegt offen.

Kein Schutz. Kein Glanz.

Nur das,

was nicht mehr schweigt.


Die ersten kamen mit weißen Handschuhen,

schnitten sich an Adjektiven.

Sie sagten:

„Interessant.“

Sie sagten:

„Strukturell fragwürdig.“

Dann fraßen sie nur den Anfang.

Der Rest blieb liegen,

wie ein Satz zu viel.


Später schlichen die Hungrigen heran.

Zungen aus Blech,

Augen wie leere Fußnoten.

Sie rochen nichts,

doch kauten gründlich.


Ein Mädchen pflückte sich ein Verb,

steckte es sich hinters Ohr.

Ein Alter schluckte eine Metapher

und schwieg den ganzen Abend.


Ich sah dir zu,

wie du das letzte Stück Bedeutung

vom Knochen löstest.

Mit den Fingern.

Langsam.

Fast zärtlich.


Und als nichts mehr blieb,

setzten wir uns

auf das warme Pflaster

und schrieben den nächsten.



 – N. Valen –



Juli 14, 2025



Der Himmel 

ist noch unbeschrieben



Der Himmel ist noch unbeschrieben

im nächsten Morgen zukunftsleicht

und heute ist sie hiergeblieben,

der Tag verneigt sich, Ziel erreicht.


Die Menschen sind so unvollkommen

am Abend, der sich nicht erklärt

ein Tag durch Wimpern und verschwommen

die Nacht beginnend und bewährt.


Im Dunkel hat der Himmel Frieden

und draußen wird nun langsam klar:

Wie reduziert und abgeschieden

ist auf der Welt die Menschenschar.


Der Morgen wird erneut begonnen,

als Mensch der viele Farben mag -

die Wissbegier hat nun gewonnen

für den Moment und jeden Tag.



 – Heike –




Eine Interpretation des Gedichts von – sufnus –


«Warum ist das Gedicht schön? – Ich weiß es nicht.

Warum finden wir manche Erscheinungen dieser unvollkommenen Welt schön, und warum finden wir dabei ganz unterschiedliche Dinge schön oder unterscheiden uns untereinander im Schön- oder Nichtschönfinden der gleichen Dinge? (Ich finde Schnirkelschnecken schön. Das fängt schon mit dem wunderbaren Namen an. Wir brauchen unbedingt Schnirkelschneckengedichte! Doch andere mögen das ganz anders sehen.)

Ich kann aber wenigstens eine Stelle benennen, an der ich beim Lesen gedacht habe «Wie schön!» – und mit dem Aufrufen dieser Stelle kommt gleich das nächste Fragezeichen daher: Mein Schönempfinden wurde nämlich von der ersten Zeile der zweiten Strophe wachgekitzelt und das ist doch ein gar wunderlicher Befund, denn eigentlich liefert diese Zeile in gewisser Weise bloß einen ziemlichen Allgemeinplatz ab. So ganz kann ich mir meine Lesefreude an dieser Stelle auch noch nicht erklären, aber ich glaube, es hängt mit den Zeilen davor und danach zusammen.

Zunächst ist nämlich, so allgemeinplätzlich die Rekognsozierung menschlicher Unvollkommenheit sein mag, ist dieses Statement in dem konkreten Gedicht ein sehr clever gesetzter «Themenwechsel» im Vergleich zu dem zu gleichen Teilen ernsten wie vorsichtig-optimistischen Ton der ersten Strophe. Außerdem ist der Satz ja durch den Zeilenwechsel nur unterbrochen aber nicht beendet worden: Die Menschen sind ja nicht im ganz Grundsätzlichen unvollkommen, sondern sie sind es im Zusammenhang mit (nächste Zeile) einem «Abend, der sich nicht erklärt» und – kann das Zufall sein?! – ab dieser Zeile verweigert sich das Gedicht auf so sanfte wie nachdrückliche Weise einer völligen sprachlichen Durchschaubarkeit. Schon unter einem nicht «selbsterklärenden» Abend kann man sich nicht so recht etwas vorstellen, und in den Zeilen 3 und 4 der zweiten Strophe löst sich auch die Grammatik beinahe auf – mit höchster Not kann man sich hier noch durchfinden, aber die Satzbezüge sind hier, nicht zuletzt durch den Wegfall einer Zeichensetzung, geradezu «verschwommen» wie durch «Wimpern betrachtet». Das ist in seiner Gesamtheit schon sehr spannend – aber damit käme ich eigentlich eher zu dem obigen Zweitpunkt der Interessanz. Ich denke, den habe ich hiermit tatsächlich schonmal vertiefend angetippt. Bei der Schönheitsfrage erklärt sich der Kommentator für weitgehend gescheitert. 


ps: Zu dem «Interessant-Punkt» nur noch ganz kurz nachgetragen: Da springt ja eigentlich das Ausrufezeichen schon in der ersten Strophe senkrecht in die Höhe, weil listigerweise offengelassen wird, wer mit dem «sie» in der dritten Zeile gemeint ist und was das «hiergeblieben» meinen könnte. Bei letztgenanntem Stichwort weht mich sogar kurz die Frage an, ob hier ganz existentiell das «am Leben bleiben» gemeint ist, und dann bekommt der Text plötzlich ein Erschütterungspotential, das hinter den formal so kundig gefügten Zeilen leicht verborgen bleiben könnte. Es bleibt dann auch letztlich ein uneindeutiger Fall. Offen für viele Auslegungen. Kein Wunder, dass ich mich so freue.»


– sufnus –


Juli 13, 2025



unter der ober-fläche



 – unerkannt, getarnt

unauffällig maus-grau

schlummern in

alp-träumen

verstrickt in

emotionen bunt gemischt

gegen-satz wer findet ihn?

feder-leicht, doch messer-scharf

fristen leben unter spiegel-glatt

warten auf befreiung

auf hilfe-ruf

folgt zweifel-haft

gefühls-echt ist out

gleich-gültig oft das echo

wer lächelt im geheimen

statt weiter-hin zu graben

werfen sinn-lose Worte, einfach nur schlucken

lebens-freude fühlt jeder anders

trauer-zeit niemals endet

wenn grauen mit der

morgen-sonne

an den Himmel steigt



 – Aniella Benu –