Januar 28, 2025



Bon appétit



Hinten links in meiner Birne

lebt ein Wurm von meinem Hirne

und frisst täglich zehn Ideen,

doch dies Zerebralgeschehen

will mir nicht die Laune rauben!

Der IQ musst wohl dran glauben –

juckt mich aber nicht die Bohne:

Besser lebt sich «oben ohne».



 – sufnus –



Januar 27, 2025



Weitsicht 



 – Als ich gestern in die Ferne sah,
schien mir diese plötzlich seltsam nah.
Näher noch – ich weiß, das klingt jetzt dumm –
als der leere Raum um mich herum.

Dieser Raum, gefüllt mit lauer Luft,
die mir dauernd in die Seele pufft;
diese schnöde Enge ganz aus Nichts,
die Garotte meines Gleichgewichts.

Dieses ungreifbare Nichts-Substrat,
licht- und schattenarme Wechselbad;
dieses körperlose Hindernis,
steter Zwang, im Ausgang – ungewiss.

Als mir, wie schon oben angeführt,
diese Ferne jäh im Innern rührt,
fand ich darin einen tiefen Sinn:
Manchmal will der Mensch woanders hin. 


– Dirk Tilsner –



Januar 26, 2025

 


Damals, im Ennigloher Dom


( Sonett )


Ich freute mich auf seine Krönungsfeier  

Der Chor, er pumpte rhythmisch Backen auf

Ließ dann den Tönen deformiert den Lauf

Auf der Empore grinsten Friedensgeier

 

Die Krone kam aus Blech und Silberdrähten

Hereingebracht von Pfarrers Haushaltsmagd

Und wie sie dann: „Hier is dat Dingen“, sagt

Hört man mich leise herzzerreißend beten

 

Kniescheiben schabten über kalte Stufen

Und Weihrauch küsste wärmend mein Gesicht

Ich fühlte Eisbefall an meinen Hufen

 

Das Krönchen strahlte frech im Sonnenlicht

Man schob ihn aus dem Dom, auf gold‘nen Kufen

Ihm war es recht, schon wegen seiner Gicht



 – Volker Teodorczyk –

 


Januar 25, 2025

 


Gebrauchsanleitung



du erst lesen alle worten

fangen an bei eins und dorten

folgen zeilen zwei gewesen

lachen dann du weiterlesen

 

hinter versen drei und vieren

stutzen erst mal dann kapieren

kichern zeilen fünft und sexten

speichern unter lieblingstexten



 – Stefan Pölt –



Januar 24, 2025

 


Tom und ich



 – Drei Jahre nach meinem Tod
besuchte ich noch einmal Tom
in seiner Werkstatt an der Brücke.

Wir saßen auf der alten rostigen Eisenbank
und das Licht des Abends vergeudete sich
in Fächer verschiedenster Schattierungen.

Unten am Bahndamm spielten kleine Kinder,
so wie ich in den frühen Siebzigern,
suchten nach Schneckenhäusern
und huschten zwischen Kamille und Brennnessel
wie kleine flinke Rehe dahin.

«Du siehst gut aus», sagte Tom.
«Findest du?», fragte ich skeptisch.
«Doch, durchaus …»

Die Strahlen der untergehenden Sonne
hüllten den späten Augustabend
in eine Glocke aus bersteinfarbenem Gold.

Zwischen meinen skelettierten Rippen
brach sich das Licht
und floss funkelnd hinüber
zur lärmenden Kinderschar.

«Ich habe abgenommen», sagte ich.
«Aber du siehst klasse aus», antwortete Tom.

Ich blickte hinüber zu den Bergen am Horizont,
die ich als Kind «mein wildes Räuberland» nannte.

Ich hatte alles gehabt,
ich hatte alles aufgenommen,
und alles gab ich wieder zurück.

«Tom, siehst du, die Sonne fließt durch mich hindurch …»

Wir saßen noch lange dort.
Fast ein Jahrzehnt.
Tom und ich.

Oder länger.



 – Herbert Fehmer –



Januar 23, 2025



 In der Landschaft 

des Aschenbechers



– die abgestreifte Glut der Zigarette
leuchtet auf wie die winzige
Sonne einer sterbenden Welt

ein Körper aus atmendem Licht
der schnell
auf Funkengröße schrumpft
beim Rückzug ins Innere
eines Klumpens aus bröckelndem Weiß und Grau


– Christian Fechtner –


Januar 21, 2025

 


Credo



 – Ich lege meine Hand ins Herz der tollsten Frauen.
Kein Wunder, wenn sie mir als Casanova trauen,
denn meine Verse sind: Orkan für die Frisur,
ein Sieder für das Hirn, die Presse ihrer Säfte,
sind Sinnflut, Rizinus der vaginalen Kräfte,
poetisch Kamasutra pur.

Mitunter schreib ich auch mal was für weise Männer,
als Bibel-, Nietzsche- und als Suppenerbsen-Kenner.
Denn meine Verse sind: Prometheus in der Bar,
der Scheit des Heilands, Herd platonisch-reifer Wärme,
sind Tee und Valium für aufgeblähte Därme.
Sind so wie ich, bloß voller Haar.



– Dirk Tilsner –