Rätsel-Gedicht für Hanna

( Kindergedicht )


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Eine uralte Frau steht am End’ einer Straße,

die in nachtschwarze Dunkelheit führt,

die Frau hat ihr Haar mit Zahlen verschnürt,

ihre Nase ist lang, ihre Augen sind groß,

aus den Ohren wächst uraltes Moos.


Und ein Kind ohne Nase mit knopfkleinen Augen

steht hüpfend auf nur einem Bein

am Anfang der Straße und gelb sind im Schein

des Mondes drei Haare, mehr hat es noch nicht,

die weht ihm der Wind ins Gesicht.


Der flüsternde Nachtwind, er flüstert: «Hallooo,

alte Frau, sag, du weißt, wer da hüpft? 

Ist gerade erst in die Stadt geschlüpft!»

«Ja, ich weiß es, ja, ich sehs an der klitze-

kleinaufblitzenden Stubsnasenspitze!»


Die Frau dreht sich weg, murmelt «Ach…» und ist fort.

Das Kind fragt den Wind: «He, wer war sie?»

«Tjaaa, wer? Denk nach, sonst erfährst du es nie!»

Und noch einmal hört man das Wort:

«Ach, lang war ich hier, bin für immer gegangen,

hat was Neues auf einem Bein angefangen!»


Das Kind ruft ihr nach: «Alte Frau, guck doch hin,

auf zwei Beinen jetzt! Guck, wie groß ich schon bin!»


Und du, Hanna, weißt du‘s? Wer ist da gegangen,

und was hat vor fünf Tagen neu angefangen?



 – Peter Welk –



 


Dem Einhorn



 – Ein Blatt, auf dem Bahnsteig verloren, vergessen,

weht hoch zu den Tauben, die Zeit ist vermessen

genug, zu vergehn, zu vergehn sei genug.

 

Am Abend erzählt sie der Uhl und dem Einhorn

von wortlosen Stunden, von  Kälte und Neid,

geröteten Augen, Geschwätzigkeit, Jähzorn,

und schaut dabei still auf ihr staubiges Kleid.

 

Das Tier indes schaut sie nur an, es mag denken,

so ist dieses Leben, so ist er, der Mensch,

und zustimmend glucksend erhebt sich der Krug.

 

Viel später noch wird sie vom Abendrot träumen,

von zwinkernden Sternen, von seidigem Blau,

von schmelzenden Weisen, dem Mond in den Bäumen,

die schneeigen Augen in trotzigem Grau.



 – Andrea M. Fruehauf –



 


Bald



 – Der kürzeste der Tage ist vorbei

ein jeder neue hellt sich um Sekunden

jetzt auf auch wenn der Mensch

das kaum verspürt


schürt es die Hoffnung

auf mehr lichte Stunden

und darauf dass ringsum

bald alles blüht


Noch ist man müd

und fühlt sich wie gelähmt

auch wenn man sich fast schämt

dies zuzugeben


fährt langsam Leben

in die starren Glieder

die einst beweglich waren


Das kommt wieder

sobald im Lenz die Sonne

hell erwacht

sagt man

der Winterdunkelzeit


Gut Nacht!



 – niemand –



 


Die Nachtwache



– Im Dämmerschlaf träumte mir
Ich wär erfroren
Mein Flügel gebrochen
Das Auge
Erblasst
Mit zweierlei Stümpfen
Verirrt und verloren
Erklomm ich den Berg
Auf den Himmel
Gefasst

In endloser Stille
Im Wind zu verwesen
Erschien mir so tröstend
Und losgelöst
Frei
Erwachte ich frierend
Zum Tod auserlesen
Warst du
Warum ließest du
Mich nicht vorbei


 – Andrea M. Fruehauf –

 


Man sagt, ich säh wie Elvis aus



 – Man sagt, ich säh wie Elvis aus,

ich kann das – ganz ehrlich – nicht glauben.

Die Backen, die Ohren, darüber hinaus

die Nasenpartie und die Augen,


die wären angeblich bei Elvis und mir

wie sonst nur bei Zwillingen ähnlich.

Ich sage es unmissverständlich und hier:

Ich find den Vergleich reichlich dämlich.


Jetzt meinten sogar noch Charlotte und Björn,

man könne uns kaum unterscheiden,

ich säh aus wie Elvis. Ich kann‘s nicht mehr hör‘n.

Ich kann diesen Kläffer nicht leiden.



– Rudolf Anton Fichtl – 





 Make KLAATU great again



 – Jetzt fahre ICH

den Zeigefinger aus,

schraube bedrohlich

die Augäpfel raus

&

krakeele mein Befinden

wie Befehle durch das Haus.


Jetzt nehme ICH

mich so ernst,

bis alle es tun

&

lasse EUCH keine Zeit

etwas auszuruhen.


Jetzt fordere ICH

vehement ein,

was mir niemals zustand,

bis jeder Widerstand

resigniert.


Jetzt werdet IHR

und EUER Stolz

zu Brennholz

für MEIN Leuchtfeuer

degradiert.


 – KLAATU – Ihr Kandidat für die nächste Bundestagswahl!

(Nur echt in Großbuchstaben)



 – klaatu –





 Neujahrsmorgen



 – Noch sitzt der Nebel im Genick,
noch trübt er nass den scheuen Blick,
verhüllt, was unschön und auch fein.
Ich könnte einfach glücklich sein.

Ein Reiher schreitet durch den Bach,
er sucht bedächtig, äugt gemach
nach Nahrung und nach Unterschlupf.
Ich esse meinen Gugelhupf.

So leise atmet dieser Morgen,
hält Glück und Unglück noch verborgen,
versteckt die Freuden und die Leiden.
Ich ahn’ das Schattenbild von beiden.


– tulpenrot –