Fragewolken 



 – Das Jahr klingt aus und wird Vergangenheit
und war doch eben noch zum Greifen nah,
man hat Probleme und verläuft sich in der Zeit
und steht am Ende ganz verwundert da

und fragt sich heimlich, während Frösche krachen
und lila Blitze um die Dächer schweifen:
Werd‘ ich im neuen Jahr die alten Fehler machen,
werd‘ ich vielleicht zu neuer Größe reifen?

Werd‘ ich in neue Höhen klettern dürfen,
wird mich ein Teufel in die Tiefe schmeißen,
werd‘ ich in Höllenschluchten schürfen,
wird mir ein Glücksschwein in den Hintern beißen?

Und so, indem man Fragewolken schiebt,
schiebt man Probleme, die’s noch gar nicht gibt,
ins neue Jahr und vor sich her und durch die Zeit,
hinsteuernd Richtung Ewigkeit.


– Peter Welk –



 


Fein geleimt ist auch gelungen



Kommt es aus der Nähmaschine,

was da klopft, so rhythmisch, schlicht,

oder fährt wer auf der Schiene:

Regelkunst im Reim-Gedicht?


Ratatata, ratatata, ratatata! Wie das kracht!

Karlchens super stolze Miene

spricht: Ich habe das vollbracht!


Mutti streicht dem Sohn die Wange,

mit den Worten: Bin so stolz!

Dabei denkt sie, reichlich bange,

das Gedicht gleicht trocknem Holz.


Millimeter fein gespalten,

für ein Zündeln im Kamin,

jedoch kaum noch auszuhalten -

da ist doch kein Leben drin!


Karlchen aber wirkt recht heiter

und leimt, bald dem Genius nah,

immerfort und immer weiter:


Ratatata, tata, ta!



 – niemand – 



 


Berühmt



 – Es balgen sich die Dichteliten

Im Forum um die Sternensaat

Doch das Erlagen von Meriten

Verhindert meist ein Wortsalat

 

Es gibt sie noch, die Edelgilde

Der talentierten Architekten

Der akkuraten Satzgebilde

Und auch des Witzes, des versteckten

 

Doch welch Poet kann von sich sagen

Ich bin im Lande wohl bekannt

Der Künstler wird an trüben Tagen

Nur Dichter Frühnebel genannt



 – Volker Teodorczyk –



 


Erdbeermilch 



Leg dich auf mich
Du süßes Stück
Und lass dich kühl umschlingen 
Die Welt kann uns
Im Rosenglück
Von Herzen berlichingen 



 – Andrea M. Fruehauf –



 


nicht zu fassen 



verpasst 


manche momente 

zum beispiel 


als wir uns 

auf der rolltreppe 

begegnen 


du dir lächelnd 

durchs haar 

streichst und 


ich vergesse 

mich umzudrehen 


wegen dir 



 – Jörg Schaffelhofer – 



 


Aus den Chroniken 

eines Steppkes 



 – Die Straße hatte damals eine Länge
von etwa sieben Lederstrumpfgeschichten. 
Wir konnten jagen, stromern ... ohne Zwänge, 

und wenn es hart kam, auf Bonbons verzichten. 


Am Strand im Urlaub sammelten wir Muscheln 

und ihrer Schönheit wegen(!) Kieselsteine. 

Im Schilfgras hörten wir die Nymphen tuscheln: 

«Der See birgt alte Schätze und Gebeine.» 


Im Kirschkern-Spucken warn wir echte Meister, 

bei Sauriern, ha! In jedem Streit die Schlausten. 

Wir glaubten an die Kraft der Poltergeister 

und dass Zyklopen nur in Märchen hausten. 


Der Kuchen Omas ließ uns dicker werden. 

Wenn Opa nieste, wackelten die Wände.
Ihr Garten galt als Paradies auf Erden:
Die Himbeerstaude nahm und nahm kein Ende. 


Den Becher Milch trank ich stets bis zur Neige. 

Ich war Korsar, ein guter, mit Gewissen. 

Mitunter leider auch ein wenig feige –
ich habe nie in einen Frosch gebissen. 



 – Dirk Tilsner –




 


Weihnachtswunder



 – Es schwebt ein Pottwal überm Wald.

Ich frage mich: ist ihm nicht kalt?

Dann sag ich mir: was bin ich dumm!

Der schwimmt auch im Polarmeer rum,


gewärmt von einer fetten Schicht.

Da stört ein bisschen Kälte nicht. 

Doch warum fliegt er überm Tann

zur Weihnachtszeit? Was treibt ihn an?


So blass wie einstmals Moby Dick?

Ein Engelswal? Ein Zaubertrick?

Und weil das herrlich surreal ist,

erscheint dazu die Borealis.


Doch halt! Dort zieht ein heller Stern

mit langem Schweif am Himmel fern!

Mein weißer Wal zwinkert mir zu,

schlägt mit der Fluke, hält drauf zu.


Gefolgt von einer kleinen Flunder.

Die Weihnachtszeit ist voller Wunder!



 – Claudia Neubacher –