Beziehungsgeflecht 



– Verwandtschaftsbeziehungen sind mir ein Graus, 

ich kenn mich bei so einem Wirrwarr nicht aus. 

Ob Großtante oder Cousin zweiten Grads – 

mein Stammbaum ist Teil eines Nudelsalats. 


Und habe ich wieder mal völlig verdreht,
in welcher Beziehung ein Mensch zu mir steht, 
versichert die Frau (hält mir tröstend die Hand), 

ich sei auch mit unseren Kindern verwandt. 



 – Stefan Pölt –


 

 


Von Bussarden 

und Posaunisten



 – Fahren Sarden mit dem Bus,

wird von Bussarden gesprochen.

Jene sind zum Sommerschluss

Richtung Festland aufgebrochen.

 

Treffen sie am Po Saunisten,

glühen sämtliche Antennen.

Nun erzählen die Touristen,

dass sie Posaunisten kennen.



 – Didi.Costaire –



 


Am grünen Hügel 



 – Lang aufgereiht erwarten Stühle 

in dunkelblauer Abendschwüle 

den Neubelag von Körperteilen, 

aus denen Seelen dann enteilen, 

um in der eingegleisten Bahn 

zu kosten Wagners Bühnenwahn. 


Einst sollte hier am deutschen Wesen 

die Bühnenkunst weltweit genesen – 

sie ist davon, weil's manchen mundet, 

noch immer nicht im Kern gesundet. 

Hier lauert in pompöser Schwüle
ein Schwulst verschraubter Machtgefühle. 



 – James Blond –



 



Braunkohl mit Pinkel 

bei Oma Ilse 



– Ich will so gern zu Oma Ilse
Die kleine Wohnung dampft 
Nach Haarspray und Zigaretten 

Mit Lockenwicklern steht sie an der Tür 

Du bist zu früh Junge 


Opa Karlheinz im Unterhemd liest Bild 

Schimpft auf die Welt
Raucht seine Lux
Das darf alles nicht wahr sein Aron 

Dann legt Oma mir Braunkohl auf den Teller 

Endlos Kartoffeln
Scharfe Pinkel
Wir drei essen wortlos 

Und ich weiß jetzt auch nicht 

Ob ich jemals
Mit ihnen gesprochen 
Habe 



– Aron Manfeld –



 


Haiku



 – die Fliege spurtet
den Wettlauf an der Scheibe 
gewinnt der Tropfen 



 – Dirk Tilsner –



 


Bauwaise 



 – Wie ich da in meinem Nest 

sitze, in die Bemme beiße, 

kommt ein Sturm (aus Budapest), 

rüttelt mich beziehungsweise 

an dem Haus, im Gegensinn 

wanken Ziegel, danken leise 

ab und segeln sonstwohin, 

Fenster, Türen – braune, weiße 

springen fort! O welche Not, 

selbst der teure, seltsam heiße 

Kandelaber stellt sich tot! 

Alles wackelt, Schrank und Fach, 

Fluten tropfen eimerweise 

durch das offne Schindeldach, 

Balken stürzen, eine Schneise 

der Verwüstung ist mein Heim, 

das ich grad in eignem Schweiße 

bauen ließ. Am Bahngeleise. 


Himmelherrgottnochmal Scheiße! 



 – Andrea M. Fruehauf –



 



Gesamtkunstwerklich



 – Ich bin ein wirklich schöner Hund! Und Sie?
Ich meine, Sie, als Mensch – wie schätzen Sie sich ein? 
Die Schönheit ist ein Ding an sich, und nie 

Kann wahre Schönheit einfach nur beschlossen sein 


Zum Beispiel in belüfteter Frisur,
Die Unsereinem herzlich gern der Mensch verpasst. 
In meiner ganzen Haltung schönt sich die Natur! 

Und die Belüftung sehe ich als leichte Last, 


Die Unsereiner trägt. Mit Gleichmut. Warum nicht? 

Ich bin als Hund gesamtkunstwerklich schön. 

Ich schmücke Alben und Kalender. Ein Gedicht 

Ward meiner Schönheit zugeeignet – nix von Flöhn, 


Wie man es sonst in Hundelyrik häufig findet, 

Hat mir der Dichter ehrabschneidend angehängt, 

Er sieht in mir den Hund, der Blicke bindet, 

Der sich in aufgeklappte Herzen windet 

Und Kenner zu Entzückensschreien drängt. 



 – Peter Welk –