Herbstgedeck
– Zweifach gebündelt
Ein Fall aus Sommerstrahlen
Zu grünen Schindeln
Totenblätter färben sich
Orangerot sinkt ihr Grau
– ubertas –
Einhalt – inmitten aller Hast und aller Eile
dreht er die Zeit zurück um manches Jahr
ist still und sieht für eine wunderbare Weile
den alten Hinterhof – sieht wie es einmal war
Auf Trümmerstein ließ er die Zeit verstreichen
saß da und zählte Sperlingsbrut und Rattenkot
und Glieder hat er dünn wie Fahrradspeichen
es gab nur Magermilch und Margarinebrot
Im Kohlenschuppen war ein Schatz versteckt
zwei Stücke bunte Kreide und ein Puppenbein
von einem Haufen alter Lumpen abgedeckt
mehr braucht er nicht um reich zu sein
Im Überfluss zum Beispiel gab es Splitter
in jedem Finger Abenteuer fanden täglich statt
ein krummer Nagel riss die Hose das war bitter
zu Zeiten wo man nicht viel Hosen hat
Beim Studium von Funkenflug und Feuerstein
vergingen viele Stunden rätselhaft verzuckte
ein ausgerissnes linkes Spinnenhinterbein
wenn er die Formel sprach und darauf spuckte
Die Mauern ringsum waren voll Gekritzel
mit Sprüchen oder Bildern die er nicht verstand
und Helga wollte mal dass er sie kitzel
wo ganz besonders und sie führte seine Hand
Mal war er Inkafürst mal Ritter mal Pirat
er scharte um sich Elfen Zwerge und Dämonen
in seinem winzig kleinen Hinterhofquadrat
war Platz und Zeit für grenzenlose Illusionen
Dann wurd er eines Tages unzufrieden
sein Hinterhof erschien ihm lächerlich und klein
da hat er sich für etwas Besseres entschieden
wollte Karriere machen und erfolgreich sein
Seit jenem Tag sind seine Träume abgemagert
und manche alte Sehnsucht ist jetzt ausgezehrt
Verringerung hat nun das Leben überlagert
die toten Dinge haben sich vermehrt
– Tasso Tuwas –
– Ich sitz hier,
in meinem unsichtbaren Raum,
zwischen Müde und Magisch,
zwischen
«Sprich mich an»
und
«Fass mich bloß nicht an.»
Meine Haare machen,
was sie wollen.
Meine Gedanken auch.
Ich bin kein Rätsel.
Ich bin ein Zustand.
Und du?
Du darfst gucken.
Nicht reden.
Nicht stören.
Nur –
gucken.
So wie man in ein Aquarium starrt,
wo irgendwas Schönes
gerade keine Ahnung hat,
dass es schön ist.
Ich will keine Fragen.
Nur ein bisschen Licht auf der Haut,
das nicht von der Sonne kommt,
sondern von dir.
Von deinem Blick.
Nicht glotzen.
Nicht scannen.
Nicht ausziehen mit den Augen.
Nur:
sehen.
Und dann wieder:
in Ruh lassen.
– N.Valen –
– Ich bin nicht wütend!!!
Ich habe nur den Tisch umorganisiert.
Holz für den Ofen.
Er stand eh schief.
Meine Tasse liegt jetzt
in zwei Teilen auf dem Boden,
was viel effizienter ist beim Spülen.
Splittertrocknung.
Ein Trend, den du nicht verstehst.
Ich atme völlig normal.
Jedes Schnaufen ist ein
kontrolliertes Feuerwerk innerer Ruhe.
Dynamit hat auch seinen Frieden.
Der Wellensittich spricht nicht mehr,
weil ich durch eine massive Einwirkung
den Käfig sanft in die Ecke schob.
Er hat sich etwas die Flügel vertreten.
Der Staub ist endlich weg.
Ich schreie nicht!!!
Meine Stimme hat nur beschlossen,
sich in höhere Dimensionen zu entfalten,
wo nur Hunde und enttäuschte Mütter sie hören.
Und vielleicht Opernsänger.
Der Druck in meiner Stirn ist nicht Zorn,
es ist bloß eine sehr enthusiastische
Versammlung meiner Gedanken.
Mit Megafon.
Und Trompeten.
Und einem Flammenwerfer, vielleicht.
Ich bin nicht wütend!!!
Ich habe nur beschlossen,
alle Stifte in der Wohnung
mit den Zähnen zu testen.
Qualitätskontrolle.
Muss man machen.
Und wenn ich sage: «Es ist okay»,
dann meine ich:
Ich bin der leuchtende Vulkan der Ausgeglichenheit,
mit Lava aus «ist ja nicht so schlimm»,
und Asche aus «macht doch nichts».
Die Evakuierung läuft planmäßig.
Ich bin nicht wütend!!!
Ich habe nur das Bedürfnis,
einem Kissen die Wahrheit zu sagen.
Mit meinen Fäusten.
Immer wieder.
Aber hey.
Alles in Ordnung.
Wirklich.
– Önder Özkan –