Passanten des Tages



 – der Morgenmann
mit den braunweißen Zwillingshunden
macht seinen Routinestopp
am Rand der Grünfläche


später wühlt eine Kapuzengestalt
mit hastigen Griffen
in einem Einkaufstrolley


zuletzt ein trottendes Schulkind
das ohne Zorn
eine leere Dose
durch den Nachmittag tritt


 – Christian Fechtner –



 


Melonancholisches 



 – Leben möcht ich, statt in Sachsen, 

dort, wo die Melonen wachsen. 

Morgens gäbs schon himmelssüße 

Honigmarmelonenspieße, 

mittags Cantalouperoulade, 

nachmittags in Marinade 

eingelegte Piel de sapo, 

hinterrücks und als da capo 

küsste mich ein Nara-Hase 

galiageil auf Mund und Nase,
führ mich mit dem Obsttransporter 
in die Kneipe, um supporter,
nur mit ihm, für wenig Kohle, 
Wassereismelonenbowle 

auszuschlürfen, heimzugehen,
um mir dabei zuzusehen,
wie ich mich als reifes Weibchen, 
sozusagen Stück um Scheibchen, 

auf dem Silbertisch drapierte … 

Ach, wenn mir das einmal nur passierte! 



 – Andrea M. Fruehauf –



 


ohne etwas zu suchen



ohne etwas zu suchen
fällt der Blick
auf die Skyline des Küchentischs:


kleinere und größere
Dosen und Gläser
und die zentralen
Zwillingstürme voll Pflanzenöl



 – Christian Fechtner –





Homo diabolicus 

(Terzine zum Thema: Teufelskanzel)


 – Der Ausblick übers Land, an Sagen reich,
bezeugt auf diesem Fels, mit Müh erklommen:
Der Teufel ist ein Schlappschwanz im Vergleich.


Ein lächerlicher Stein, genau genommen,
mit dem der Prahlhans durch die Lüfte zog,
bis er, erschöpft, an diesen Ort gekommen.

Kein Hexchen, das sich nicht vor Lachen bog,
als sie den matten Satan schlafend fanden,
worauf der schwer gekränkt von dannen flog.

Die Probe hätte er als Mensch bestanden.
Schaut hin! Wo sich einst Wald und Feld und Flur
wie grüner Urstrom durch die Landschaft wanden,

starrt ein Gebirge aus Beton. Natur
des Fortschritts, ohne Wuchs an ihren Hängen.
Statt Schnee an Gipfeln, glänzt die Smog-Glasur.

Weil im Gedärme Gier und Eifer drängen,
macht seine Sippe ganze Gletscher kalt,
bäckt täglich Brot, nur stets in Übermengen,

kippt Müll ins Meer, der sich zu Inseln ballt,
schlägt Wälder ab, legt letzte Sümpfe trocken
und 'kultiviert' mit Flüssen aus Asphalt.

Sieht sich als Ebenbild, doch liebt das Zocken
und glaubt, wer ständig ärmer wird, ist reich.
Kein Teufel könnte Ähnliches verbocken!

Der Sapiens – Verlierer im Vergleich.



 – Dirk Tilsner –



 


Im Wartezimmer 



 – mit einem schmal emporragenden Schornstein 

steht das Dach von gegenüber
im Glastisch auf dem Kopf
(an einzelnen Stellen von Illustrierten verdeckt) 


der Blick scheitert
beim Versuch
mit den Wölkchen zu treiben
im Himmelbraun des Marmorbodens 


irgendwann
zupft in einem der Fenster drüben
ein älterer Mann
am Rand der Gardine
um einer Topfpflanze
einen schnellen Schuss Wasser zu spenden 



 – Christian Fechtner –



 


Nostalgie auf Schienen



 – In gesellschaftlichem Kreise

wird das Wörtchen «Puff» ganz leise

nur genannt, da jedermann

Liebeslust und Liebeslaster

gegen eine Menge Zaster

käuflich dort erwerben kann.


Wird das Wort jedoch verdoppelt

und ans Schienennetz gekoppelt,

dann erscheint mit viel Elan

unter Dampf die hochgelobte,

altbewährte, krafterprobte,

treue Puff-Puff-Eisenbahn.


Mit ein wenig Sachverständnis

reift so langsam die Erkenntnis:

Zweimal Puff erfreut unbändig,

einmal Puff ist unanständig.



 – In Erinnerung an 

Günter Nehm –



 


Erfolglos


 

 – Ihren Traummann sucht Sieglinde
schon seit einer Ewigkeit:
«Zeit, dass ich ihn endlich finde.
Ach, wie gern wär ich zu zweit!
 

Alle Männer haben Macken,
keiner passt perfekt zu mir,
könnte man sich einen backen,
wär die Küche mein Revier.»
 

Bis die Freundinnen sie necken:
«Hast zum Trauern keinen Grund,
Prinzen gibt's an allen Ecken –
leider ist die Erde rund.»


 – Stefan Pölt –