Midlife-Krise früh um drei 


– Der Dichter kann schon wieder mal nicht schlafen. 
Nicht Virus oder zu viel Bier im Bauch
sind das Problem. Er steht auf keinem Schlauch. 
Er zählte schon Zehntausende von Schafen. 

Ihm geht auch kein Finanzamt auf die Eier. 
Die Dame schläft, und Flöhe hat er nicht. 
Die Arbeit morgen fällt kaum ins Gewicht, 
und die beschränkten Nachbarn – hol' der Geier. 

Ihn quält der Wunsch: Bizarr, verrückt, vermessen, 
Schimäre, die er in den Träumen fängt;
nur ein Gedicht, für sie, an die er denkt, 
obwohl er weiß: Sie hat ihn längst vergessen. 

– Dirk Tilsner 





Winter 


– Ein Flugzeug fliegt in Seitenlage 
Es hält die Position nur vage
An Bord befindet sich der König 
Der Rauschgiftgang von halb Venedig 

Es feiern Dealer, Hintermänner 
Auch der Pilot schnupft wie ein Kenner 
Fühlt sich beschwingt und vogelfrei 
Und greift am Steuerknauf vorbei 

Nun wird der Flug sehr unbequem 
Doch sich beschweren? Und bei wem? 
Und dann am Berg, die Havarie 
So viel an Schnee gab‘s da noch nie 

– Volker Teodorczyk –




Sonett mit Enschambemong

 (so manchen Lyrikforengesellen gewidmet)


– Sehr gerne schreib ich mit Enschambemong
Gedichte, denn dann flutschen alle Zeilen
so supi ineinander. Zum Verweilen
solln Leser gar nicht kommen. Am Plafong

der Dichtkunst wird gekratzt, wenn im Kartong
es rappelt, dass es kracht. Und beim Zerteilen
von Sätzen muss ich oft recht dolle feilen.
Das soll man bloß nicht sehn. Ein Komplimong

bekomm ich allerdings nicht oft geschrieben.
Hab sie vermutlich alle aufgerieben,
indem ich wähl echt schwierige Metaphern

und spar auch nicht mit coolen Inversionen.
Es kann nun mal hoch oben der nur thronen,
der mehr kann als der Rest an Lyrik-Raffern.

– Claudia Neubacher –




 ashes to oceans 


– das Meer es wurde mir geschenkt 
mit allem was sich wellt und kront 
ich atme Salz und spüre mich 
in allem was dort lebt und wohnt 
und eines Tages werde ich 
mit allem was ich bin versenkt 

– Morphea –







 Schattenspielend


– Manchmal denk ich mich am Abend

aus mir selber weg und gleite,

schattenspielend zwischen Welten,

hin ins aufgeklappte Weite.


Manchmal häng ich dann an Bildern

oder Wörtern fest und menge

mich mit allem durcheinander

und verlier mich im Gedränge.


Manchmal fall ich dann in Tiefen,

über mir enteilen Räume …

und ein fremdes Ich am Morgen

löffelt Ei und deutet Träume.


– Peter Welk –





Am Himmel



– Inmitten der vollen Ähren,

betupft von den leuchtenden

Sprenkeln des grellroten Mohns,

lagen wir mit dem Donnergrollen,

atmeten Heupferdchenträume

mit dem Wiegen der Halme.


Du wolltest fliegende Fische

zählen. Ich bloß immer wieder

deine Sommersprossen

und die versprengten Galaxien

im endlosen Blau deiner Iris.


«Eins!» riefst du und lachtest.

«Da – zwei!» Und ich versank

in den Spiralarmen deiner Locken.

Ich hätte dir gerne einen gefangen,

doch du hattest die Zeit angehalten.


Irgendwo in der Welt knatterten

Motorräder vorüber, holperten

über das alte Kopfsteinpflaster

der Höhenstraße, und der

auffrischende Wind trug mit dem Duft

von Marillenknödeln und Butterbröseln

das Glück in unser Universum.



– Claudia Neubacher –





Das Pendel


– Sie geht durch die Zimmer berührt ein paar Dinge
Vergräbt ihren Kopf in sein Hemd seine Sachen
Und eilt nur ein klein wenig fort hört sein Lachen
Sein Raunen sein Schweigen den Schlag einer Schwinge

Und ruft ihn zu halten und wieder und wieder
Versucht sie die uralte Uhr zu verbiegen
Ach lass uns noch einmal zum Auenwald fliegen
Das Pendel holt aus schlägt sie fort und darnieder

Sein Echo verhallt in den sonnigen Räumen
Verwirbelt ein wenig den Staub lässt ihn tanzen
Und legt ihn auf Seufzer auf Bilder und Kissen

Sie lässt es barmherzig geworden noch träumen
Verteilt die Erinnerung freundlich im Ganzen
Und hat doch das Morgen für immer zerrissen

– Andrea M. Fruehauf –