Schneewittchens

Rosenmontag



– Frau Schmidtchen geht zum Karneval als Flittchen.

Frau Schmidtchen ist ein Ausbund an Moral

normalerweise dort im Zillertal,

wo man sie kennt als Zillertalschneewittchen,


das couragiert den Zillertaler Kerlen

den Weisel gibt, wenn diese sie umgurren,

dann hört man Schmidtchens Kicherkatzenknurren:

Sie werfe vor die Säue keine Perlen,


es sei denn …! (Und es ist im Karneval,

dass im Schneewittchen seltne Säfte gären,

die rosenmontags ihm das Herz beschweren,

dann pfeift Schneewittchen hörbar auf Moral.)


Dann haut‘s Frau Schmidtchens Haltung in den Keller,

ihr schwillt ein Giergesicht plus Lustpropeller.




– tordilo –





Spätlicht



 – Südwindbesiegelt ist unser Schlaf

ein Hirtenfragment kaum

lerchenschlaglang


Unsere Herden entweiden sich

am himmelgrünen Rand


Die Fremden der Häuser

Kindheitstransit

sieh doch nur


Wir zetteln die Sterne an

sind kleine Rufzeichen


Durch unsere Stimmen wandert der Mond



 – sufnus –



 


März



Der Wind pfeift rau, die Pappel zittert,

ein Specht, der fällt, Gehirn erschüttert.

Schad, grad war er aufs „Klopf“ noch stolz,

doch härter als sein Kopf ist Holz.


Die Sonne sucht die Welt zu küssen

und erntet Unmut der Narzissen –

sie schauen müde aus der Wäsche.

Welch kalter Kuss klagt eine Esche,


und spricht in Richtung weißer Birken:

Sie denkt, sie könnte hitzig wirken.

Die ist so blass, man glaubt gleich fälltse

vom Himmel. Ja, betont die Stelze,


die nah am Rand vom Weiher geht,

an dem ein Reiher bleiern steht,

den es nach Frosches Schenkeln giert.

Letztendlich bleibt er angeschmiert –

das Fröschlein lässt sich nicht stibitzen,

zeigt ihm nur, wo die Locken sitzen.


Ein Schneeglöckchen übt auf der Bimmel,

und über dem müht sich der Himmel

sein  blaues Band noch fix zu hissen –

das will vom Flattern kaum was wissen.


Ein Königsblau sei wohl sein Ziel –

hierzu brauchts Zeit


bis zum April!



– niemand –


Die deutschsprachige Lyrik übt sich seit 1945 in strenger Askese. Sie verzichtet nicht nur auf den Endreim, darüber hinaus entsagt sie dem Rhythmus, jeglichem Versmaß und hat schließlich auch Großbuchstaben und Satzzeichen im Wesentlichen eliminiert. 

Wie unschwer zu erkennen, ist mein untenstehendes lyrisches Machwerk den formalen Anforderungen an ein hochkarätiges zeitgenössisches Gedicht spielend gewachsen. 

Dennoch habe ich mich aus wirtschaftlichen Erwägungen entschlossen, wenngleich mir dies den Vorwurf künstlerischer Rückwärtsgewandtheit einbringen dürfte, meine Mitmenschen ausschließlich mit poetischer Kost in Reimform und Versmaß zu beglücken. 

Da zudem auch nur der geringste Hauch von Betroffenheitslyrik halbwegs erquicklichen Verkaufszahlen massiv im Wege stehen dürfte, habe ich mich inhaltlich der Satire, der Groteske, dem Nonsens – kurzum dem komischen Gedicht  verschrieben. 


– Rudolf Anton Fichtl –




seerosenblätterdeklinationen 



trübe rahmige spinatbrühe / bodensicht 

ung ist / grün ist grün / ist 

bodenseh sicht wie / blattspinat 

grün
ist trübe brühe / in
seenot ist / brühe in sehnot
see not
rose blühe
rosenbrühe
wie spinat
isst p o
p e
y e
seerosenblatt? 


 


 Dreivierteltaktgeträller 

an Wieverfastelovend



 – Du hast im Nabelnest gepuhlt,

Du süßes kleines Schwein,

Und hast gesagt: Wir wollen ganz

Besonders zärtlich sein. 


Und deine Nase war gespitzt,

Du süßes kleines Schwein,

Den Mond hat jemand fortgehängt,

Wir waren ganz allein.


Du hast dich mir bekannt gemacht,

Du süßes kleines Schwein,

Für ewiger als Ewigkeit

Und höllenhundsgemein.


Und andern Kerlen hast du‘s auch,

Du süßes kleines Schwein,

So lass mich denn für Donnerstag

Vorangemeldet sein.



 – tordillo –





   Wasserwerkers Traum



Ich träume einen Wünscheltraum

der ist zehn Mondraketen tief

den fülle ich mit Weißem Hai

und Schokosladenspeisecrème


Dann kunterbunterpurzel ich

huschhusch ins Weidenkörbchen fein

von meinem schönsten Tauchballon

spiel fangen mit dem Bluppbluppwind


Und geh den Dingen auf den Grund

und mit dem Mördermuschelkoch

da würze ich das Wasser süß

das heut aus deiner Leitung kommt



    – sufnus –



 


Mittagsschatten



– Mittagsschatten
auf dem äußeren Fenstersims:
Inseln aus Vogelscheiße
in einem dunkelroten Meer
und die silberne Reise eines schmalen Insekts
bis ans plötzliche Ende der Welt



– Christian Fechtner –