Im leichten Regen



unerreichbar für die Scheibenwischer

ein dunkelrotes Blütenblatt

auf der grauen Autostirn



 – Christian Fechtner –








Kurzbartschnautzer



Da frag noch einer: Welche Rasse ist denn das?
Wenn ich schon Rasse hör! Ich bin zunächst mal Hund
Mit Impfschein, Postanschrift und Kinderpass
Und sowohl innen wie auch außenrum gesund.

Ich kann ein Lamm sein, und ich mach auf Rappelplautzer
(Sie kommen – wörtermäßig kommse mit?)
Ich zähle zum Verein der patentierten Kurzbartschnautzer,
Und wer mich Pinscher nennt, spürt meinen Biss im Schritt.

Zwar bin ich erst seit kurzer Zeit auf Achse,
Noch Fräulein und nur angedeutet bärtlich.
Auch steh ich mir noch selber auf der Haxe.

Wenn mir ein Hundekerl das Maul verdreht und zärtlich
Mich in die Enge treiben will, dann spuck ich Töne,
Dann schmeiß ich mich per Haxendreh ins Gras.

Alles in allem bin ich eine Wunderschöne,
Ich bin für jede Schandtat gut,
Ich tu, was kein Vernunftshund tut,
Ich mach den Unschuldshund, auf dass man mich verwöhne,
Bloß rassemäßig hab ich wirklich nix am Hut.



– Peter Welk –




Erinnerung



 – Ein kleines Kästchen, voll mit Schmuck und Tand,
geborgen zwischen Staub und Dunkelheit,
berührt mich wie mit warmer, weicher Hand.
Verwoben von Dekaden Schläfrigkeit
entweichen Träume aus dem alten Land,
umhüllen mich in weher Köstlichkeit,
erinnern mich an Werte, an Bestand
und Weihnachtsmärchen aus der Kinderzeit.



 – Andrea M. Fruehauf –





 Drei komische Heilige



 – Vor einiger Zeit in 'ner fürchterlich kalten

Dezembernacht eilen drei finstre Gestalten

durchs Land, denn sie müssen bei eisigen Winden

noch schnell einen schützenden Unterschlupf finden.

 

Der erste, ein Goldiger, zeigt in die Ferne,

dem Weingeist nicht abgeneigt sieht er schon Sterne.

Der zweite, mit ihm in die Wolle geraten,

beweihräuchert sich an den eigenen Taten.

 

Der Dritte im Bunde, ein mürrischer Alter,

zitiert ständig irgend 'nen Vers aus dem Psalter.

So stapfen sie schimpfend, das Blut schwer in Wallung,

und finden im Schneetreiben endlich 'ne Stallung.

 

Sie öffnen das Tor, doch da steht schon Gesindel

im Stroh um ein winziges Kindl mit Windel.

Laut fluchen die drei, von dem Anblick vergrätzt:

»O Jessas, Maria und Josef! – Besetzt!«



 – Stefan Pölt –



 


Alle Jahre wieder!



 – Adeventus spekulores,

Innehaltum für die Katz!

In Discounters und in Stores,

Run auf Fun und Schmakofatz.


Muti, Vati, Omi, Opi,

shopi bis zum Infarktat.

Personalum non Humores –

allesamtum maledat!


Jingle piept im Waren-Jungle:

Happy Christmas XXL!

Alle Tassen, oder Mangel,

schon im Schrank, eventuell?


Stupsen, schubsen im Gemenge,

Omi, Opi nicht mehr top –

Mutti: Tuti aus der Enge!

Allesamt zum Coffee-Shop!


Ploppt die Sippe auf die Matte,

kommt von Omi gleich der Schrei:

Frollein, einen Cafe-Late!

Schreit der Teenie: Mir ein Chai!


Mary Christmas tönts vom Jingle,

Mutti will Schwarzwälder Kirsch,

Vati reicht ein Schokokringel –

Mutti denkt nur: Welch ein Hirsch,


immer dieser Geiz beim Essen!

Da springt Vati plötzlich uff:

Hab den Parkplatz voll vergessen –

und dann sucht er seinen SUV!



– niemand –



 


Ich lese keine Gedichte



 – Ich lese keine Gedichte,


ich lese

Rechnungen,

Strafzettel

Mahnungen


- und Pfandflaschen

vom Boden auf.


Ich lese

Wahlversprechen,

Zeitungsannoncen,

Werbeanzeigen


- und die Zukunft

unserer Kinder

aus den Eingeweiden

überfahrener Katzen.


Ich lese keine Gedichte,


ich lese

Morddrohungen,

Gewaltaufrufe,

immer

länger

werdende

Todeslisten


– und die Angst

in euren Gesichtern.



 – klaatu –



 


Am Fenster



 – Hart war der Winter damals, 

Fegte der Sturm wochenlang
Über mein ungeschütztes Feld.
Ließ er mal kurz nach, ließ ich
Krähen steigen und hoffte
Auf irgendein Zeichen,
Bis auch sie erstarrt vom Himmel stürzten. 
Schließlich fiel meterhoher Schnee und 

Begrub das Feld und die defätistischen Kreaturen. 

Umsonst. Nichts brennt tiefer als
Das gleichgültige Lächeln
Einer Eiskönigin.

Heute studiere ich den Zug des Regens
Am geschlossenen Fenster. Die Tropfen 
Sind alle verschieden und alle gleich. 

Manchmal verharrt einer für einen Augenblick, 

Bis auch er entkräftet seiner Bestimmung folgt. 

Der kurze Traum von einem Kuss der Königin. Umsonst. 

Sie schneit schon seit Jahren 

Nicht mehr vorbei. 



 – Dirk Tilsner –