Senryu #1 



Die Zeit schlägt Wellen 

Ich setz Segel in den Sturm 

Das Festland kentert 



– Morphea –



Treffpunkt Alexandrowka 

(für Heike) 


– Erinnerst du dich? Weißt du noch? Na klar!

Die Zeiten, die wir unbeschwert verbrachten. 

Wenn‘s manchmal nichts zu lachen gab, wir lachten! 

Weil dann die graue Werkstatt bunter war. 


Wir kamen ziemlich weit, und offenbar 

Auf Wegen, die wir nicht im Traum bedachten. 

Das Altern kann man dabei so betrachten: 

Wo sich heut‘ Wolken spiegeln, störte Haar. 


Verdammt lang her! Ein Fetzen Jugend reißt 

Sich täglich los von uns. Nichts wird sie halten. 

Quatsch! Wer zu früh flennt, den bestraft ... Das heißt: 


Trotz ein paar Kilo mehr und Lächelfalten, 

Das Foto mit uns beiden drauf beweist, 

Im Grunde sind wir ganz und gar die Alten! 



– Dirk Tilsner –





Zum Abschied 



– Sie beugte sich am Bahnsteig vor 

Und flüsterte ihm was ins Ohr; 

Kein Liebesgruß, sie hauchte nur: 

«Denk morgen an die Müllabfuhr!» 



– Stefan Pölt –





Und alles angelt 



– Und wiederum hat alle Welt 
Sich durch der Wochentage Kreis gehangelt. 
Damit es sich gesund erhält,
Fährt alles raus aufs Land – und alles angelt. 


Du folgst im Schatten der Allee
Dem Kind, das fröhlich mit Gefährten rangelt. 
Du sitzt auf einer Bank am See,
Wo alles sich vergnügt – und alles angelt. 


Ein Schwan das Haupt ins Wasser tunkt, 

Er ruht in sich – das ist es, was dir mangelt: 

Es fehlt dir jener feste Punkt,
Um den sich alles dreht – und alles angelt. 



– Martin Möllerkies –





Sonett – 18 



– Soll ich dich einem Sommertag vergleichen, 

Die du viel lieblicher und sanfter bist? 

Durch Maienblüten rauhe Winde streichen, 

Auch Sommers Süße hat nur kurze Frist. 


Oft spürst du heiß die Sonne niederbrennen, 

Oft tobt ein Sturm, verdunkelt den Azur,
Und stets muss Schönes sich von Schönem trennen 
Durch Zufall oder Wandel der Natur. 


Doch was du warst und bist, wird immer sein, 

Nie fliehn die Schönheit, die dir eigen ist, 

Wird sich der Vogel Tod dir nähern? Nein! 

Weil du in meinem Lied unsterblich bist. 


So lange Menschen hören, Menschen sehn, 

Lebt mein Gesang und schützt dich vor Vergehn! 



– William Shakespeare – 




 

gassen



– laternen leuchten

durch die schmalen gassen und

keine spur von mir


– Jörg Schaffelhofer –






Friesisch herb 



 – Der Ostwind scheitelt streng von links
Legt Dauerwellen übers Meer
Die Jollen wippen aufgeregt
Und Wolken jagen regenschwer

Die Brandung schäumt derweil vor Wut
Der Leuchtturm lächelt Licht ins Weit
Das sich an Horizonten bricht
Im Möwenland und durch die Zeit

Der mondgezognen Wasserwelt.
Ich bin der gelbe Fleck im Bild
Im Grau aus Wolkenmeer und Gischt.
Bis  Dunkelheit darüberwischt.


– Morphea –