Gleiche Gier für alle!
– Paul Pütter ist vom Wesen her ein Reh,
ein scheues, wie es durch Romane springt
die Bächlein lang, derweil die Lerche singt;
und manchmal hüllt Paul Pütter auch der Schnee
in Jahreszeit und Stillvergnügen ein.
So pulst Paul Pütters Leben vor sich hin.
In seinem Schädel pulsen dick und dünn
die schönen Frauen zu Gesang und Wein,
wenn nach dem Winter ihn der Narrentrieb
zu Frohsinn und Enthemmung ruft, dann platzt
in Pütters Sein ein Knoten, Irrsinn kratzt
die scheue Seele auf … (wie Goethe schrieb:
Zum Rosenmontag juckt‘s in Zahn und Finger,
es schrumpft der brave Mann zum Lustmaulschlinger.)
Schneewittchens Rosenmontag
– Frau Schmidtchen geht zum Karneval als Flittchen.
Frau Schmidtchen ist ein Ausbund an Moral
normalerweise dort im Zillertal,
wo man sie kennt als Zillertalschneewitchen,
das couragiert den Zillertaler Kerlen
den Weisel gibt, wenn diese sie umgurren,
dann hört man Schmidtchens Kicherkatzenknurren:
Sie werfe vor die Säue keine Perlen,
es sei denn …! (Und es ist im Karneval,
dass im Schneewittchen seltne Säfte gären,
die rosenmontags ihm das Herz beschweren,
dann pfeift Schneewittchen hörbar auf Moral.)
Dann haut‘s Frau Schmidtchens Haltung in den Keller,
ihr schwillt ein Giergesicht plus Lustpropeller.
– tordilo –
Neujahrsmorgen
– Noch sitzt der Nebel im Genick,
noch trübt er nass den scheuen Blick,
verhüllt, was unschön und auch fein.
Ich könnte einfach glücklich sein.
er sucht bedächtig, äugt gemach
nach Nahrung und nach Unterschlupf.
Ich esse meinen Gugelhupf.
hält Glück und Unglück noch verborgen,
versteckt die Freuden und die Leiden.
Ich ahn’ das Schattenbild von beiden.
Fragewolken
– Das Jahr klingt aus und wird Vergangenheit
und war doch eben noch zum Greifen nah,
man hat Probleme und verläuft sich in der Zeit
und steht am Ende ganz verwundert da
und lila Blitze um die Dächer schweifen:
Werd‘ ich im neuen Jahr die alten Fehler machen,
werd‘ ich vielleicht zu neuer Größe reifen?
wird mich ein Teufel in die Tiefe schmeißen,
werd‘ ich in Höllenschluchten schürfen,
wird mir ein Glücksschwein in den Hintern beißen?
schiebt man Probleme, die’s noch gar nicht gibt,
ins neue Jahr und vor sich her und durch die Zeit,
hinsteuernd Richtung Ewigkeit.
– Peter Welk –
Weitsicht
– Als ich gestern in die Ferne sah,
schien mir diese plötzlich seltsam nah.
Näher noch – ich weiß, das klingt jetzt dumm –
als der leere Raum um mich herum.
Dieser Raum, gefüllt mit lauer Luft,
die mir dauernd in die Seele pufft;
diese schnöde Enge ganz aus Nichts,
die Garotte meines Gleichgewichts.
Dieses ungreifbare Nichts-Substrat,
licht- und schattenarme Wechselbad;
dieses körperlose Hindernis,
steter Zwang, im Ausgang – ungewiss.
Als mir, wie schon oben angeführt,
diese Ferne jäh im Innern rührt,
fand ich darin einen tiefen Sinn:
Manchmal will der Mensch woanders hin.
– Dirk Tilsner –