unsichtbar



– heut war wieder einer jener tage
an denen ich unsichtbar
durch die stadt gehen konnte
inmitten der dichten menschenströme
schlenderte ich neben der zeit
die auslagenscheiben entlang
hangelte meine gedanken
mechanisch mit meinen blicken
von auslegeware zu hausmauer
zu auslegeware zu
hausmauer zu versunken
in mich
unberührbar für die außenwelt
im grau in grau des asphalts
lineare muster
denen ich folgte
bis zu dem punkt
an dem du mich angerempelt hast
und ich erkennen musste
dass ich einsam bin

unter vielen

 
– Claudia Neubacher –




Frühschicht



– Willi, komm!  noch eine Runde  

kleinet Pils und Appelkorn  

denn um fünf schlägt meine Stunde  

dann beginnt der Mist von vorn  


Willi, komm!  noch eine Lage  

und nich wieder soviel Schaum  

wenn ich jetzt «bezahlen!» sage  

reicht et noch für‘n kurzen Traum  


Willi komm!  noch fünf Minuten  

eine Füllung muss noch rein  

einmal noch die Kehle fluten  

und ich lass dat Drängeln sein  


Willi lass!  nun is et viere  

knapp nach fünfe muss ich raus  

und der Kumpel, der steht Schmiere  

denn ich penn im Stollen aus  



– Volker Teodorczyk – 





 Haukes Land 



– wenn Nacht sich über Deiche legt
wo grade noch im Lichtgewand
ein Himmel tausend Farben trug 
und schleichend mit der Zeit verschwand 

die Stille summt, mit ihr der Wind 
der nicht mehr durch die Gräser streift 
die Schafe wandern dämmerwärts 
bis Dunkelheit nach ihnen greift 


– Morphea –




 Serbisch 

(Limerick)


– Ein kleiner Beamter aus Dissen

ließ, wie es ihm ging, alle wissen.

Er sagte energisch:

«Ich fühle mich serbisch,

und das heißt auf Deutsch serbischissen.»



– Didi.Costaire – 



 


Sonntag



Des Tages Atem geht so feucht

lässt diesen Park verhangen wirken

zwei Birken stehen fast entblößt

eine Kastanie döst am Rand

des Weges liegt ein Flaschenpfand

und hofft

dass jemand ihn erkennt

acht Cent für ein entleertes Glas

das ist schon was

wenn man sie braucht


Der Müllbehälter raucht noch Kippen

den warmen Lippen grad entrissen

ein Dutzend andrer

weggeschmissen

umlagern sein Metallic-Grau


Die Frau mit Hund blickt

leicht verstohlen

sollte das Exkrement sie holen

das sich zu einem Häufchen türmt?


Ein Jogger stürmt auf leisen Sohlen

als gält es Fitness zu beweisen

zwei Meisen

speisen altes Brot

danach entfleucht die eine Meise


des Tages Atem geht noch feucht

ich steig aufs Rad


und drehe Kreise



 – niemand –



 




Von Schaf zu Schaf



– Manchmal guckt er in den Spiegel,

Meistens guckt ein Mensch zurück,

Meistens ist er es dann selber,

Manchmal dreht sich auch das Glück.


Beispielsweise wenn ein Schaf guckt

Und den Guckenden erschreckt:

Welcher Teufel hat, so fragt er,

Die Verwechslung ausgeheckt?


Wer ist wer in solchem Falle?

Wo verblieb der Unterschied?

Gilt das Spiegelbild auf Dauer?

Wehe, wenn‘s ein Mitmensch sieht!


Ich als Schaf, ich sage: Macht nichts,

Ich als Schaf seh‘ das nicht eng –

Wenn ein neues Sein jetzt anfängt,

Und der Mensch hinfort als Schaf denkt,

Ist der Schrecken schon geschluckt,

Eh' er in den Spiegel guckt.



– tordilo –



 


Den Schein pflegen



 – Manches will dem Klima schaden,

ja, was tut man denn dagegen?

Vielleicht, statt des Wagens, Waden

durch die Landschaft zu bewegen!


Predigt mancher Rede-Hüne,

völlig in sein Wort vernarrt,

dabei ahnt man, wie durchs Grüne

er die eignen Waderln karrt.


Denn nicht jeder und nicht jede

schwingt real sein Wanderbein.

Denkt manch Schelm nicht an die Rede

jetzt vom Wasser und vom Wein?



– niemand –