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Waschtag 1962 



 – Weiße Laken, Ärmel wehen 

Hemden flattern froh im Wind 

Unterwäsche, Sonntagsblusen 

Auf den Hosen ein paar Flecken 

Und der Kinder Schmusedecken 


Bis zum Gartenzaun die Leine 

Hell und strahlend der Behang 

Selbst die alte Arbeitsjacke 

Hat nach Mutters Würgegriffen 

Fast das Weiß von Ausflugschiffen 


Auch die Sonne gibt sich Mühe 

Und mit warmem hellem Schein 

Streichelt sie die Garnituren 

Wie mit weichen zarten Pfoten 

Spielt sie lautlos ihre Noten 


Fast zum Ende der Sonate 

Ziehen dunkle Wolken auf
Und mit klebrig schwarzen Schleiern 
Grüßen täglich Kokereien 

Kann ein Mutterherz verzeihen? 



 – Volker Teodorczyk –



 


Notfall



 – Ein Mann, er friert, ist depressiv

Die Hände nass, die Augen tief

Er bittet und verschränkt die Hände

Um Zyankali für sein Ende

 

Der Apotheker scheint verwirrt

Er hat grad Windeln einsortiert

«Das gibt’s so laut Verordnung nicht!»

Da hält der Mann ein Bild ins Licht

 

Es zeigt das Antlitz seiner Frau

Der Apotheker schaut genau,

Die Schrankwand auf, sie läuft auf Schienen:

«Ja mit Rezept, da geb‘ ich‘s Ihnen!»



– Volker Teodorczyk –





Wasserfreuden 


(Moritat) 



An dem Weiher bei den Linden 

Richtung Ausfallstraße Norden 

Nur bei Tageslicht zu finden 

Fing es an, mein erstes Morden 


Das Gemeine brach sich Bahnen 

Der Beginn der Gräueltaten 

Niemand konnte es erahnen 

Freudenfest für Beil und Spaten 


Ja, ich hatte mich verwandelt 

Denn ihr Liebreiz war verflogen 

Sie, mit der ich angebandelt 

Hatte mich gemein betrogen 


Bin mehr Rächer als Verzeiher 

Und so wurde ich zum Täter 

Tunkte sie in diesen Weiher 

Doch zerteilt hab ich sie später 


Mit den oben schon genannten 

Garten- und Zerteilbestecken 

Tauglich auch für die Verwandten 

Mehr fürs Drohen als fürs Necken 


Nach vollbrachtem Filetieren 

Sorgsam eingepackt das Weiche 

Leber, Herz und beide Nieren 

Schwimmen nun im tiefen Teiche 


Wie mir diese Tat behagte! 

Alle Tage Schlachtfestfeier 

Junge, Hübsche, auch Betagte 

Langsam füllte sich der Weiher 


Und so zog ich bald von Dannen 

Bis die großen Meere kamen 

Riesig, diese Wasserwannen! 

Platz genug für viele Damen 



– Volker Teodorczyk –


 

 


Lebensabend



 – Sie stand im Leben ihren Mann

Mitunter trotzig und auch stur

Nun schmiegen sich sechs Enkel an

So zog das Leben manche Spur

 

Sie schleppt sich mehr, als dass sie geht

Einst sprang sie über Zaungestänge  

Nun steht die Lebensuhr auf spät

Ein Phänomen, wenn’s noch gelänge

 

Ihr müder Blick spricht tausend Bände

Und wie zerklüftet ihr Gesicht

Wie faltenreich sind ihre Hände

Doch sie verlor die Anmut nicht

 

Nicht ihren Stolz, nicht ihren Mut

Ihr graues Haar, wie es sie krönt!

Kein Farbton stand ihr je so gut

Die Zeit hat es gekonnt getönt

 

Doch nun verlässt sie Wille, Mut

Sich weiter einzubringen

Im Lebenskampf, doch tut’s auch gut

Mal nicht mehr kämpfen, ringen

 

Sie ist gefasst und steht bereit

Am dunklen Einweggleis

Dann steigt sie ein, es ist soweit

«Macht’s gut» vernimmt man leis … .



 – Volker Teodorczyk –



 


Rangordnung 



– Er liegt auf einem Fenstersims 

Wie Cäsar einst auf weichen Kissen 

Und auch sein Blick erinnert vage 

An Saus und Braus in Rückenlage
Die Dekadenz im müden Blick 
Gepaart mit träger Ignoranz 

Sorgt für die nötige Distanz 


Doch plötzlich wird sie überbrückt 

Und mit geschmeidig glatten Gesten 

Gut einstudiert und Nähe suchend 

Schon fest ein Streichelmaß verbuchend 

Ist er mit einem kurzen Satz
An seinem zweiten Lieblingsplatz 

Es ist der Hausfrau Domizil

Sie zelebriert mit großer Ruhe 
Das Öffnungsritual von Dosen 

Befüllt sein Schälchen, kurz liebkosen 

Das Fragen wird nun eingestellt 

Warum er sich ein Frauchen hält 



– Volker Teodorczyk –



 


Hilfsmittel 



– Der Schwimmer Karl-Jochen aus Brücken 

Bekraulte erregt Britneys Rücken
Dies sah ihr Freund Heinz
Ein Boxer aus Mainz
Nun schwimmt der Karl-Jochen mit Krücken 



– Volker Teodorczyk –




 


Reiselust


– Es hat in meinem Denkgerüst 

Sich eine Strebe losgelöst 

Vermutlich bin ich eingedöst 


Es hat in meiner Fantasie 

Sich ein Gedanke aufgemacht 

So völlig frei und ohne Fracht 


Dies hat in meiner Seelenschlucht 

Sich eine Emotion erlaubt
Ich fühle mich wie ausgeraubt 

Sie sind hinaus, wohl in die Welt 

Entschlossen und sehr selbstbewusst 

Es treibt sie meine Reiselust 


Doch würd ich gern auf Straßen, Gleisen 

Mit mir in Summe mal verreisen 



– Volker Teodorczyk –


 


Karrieresprung 



 Es tritt die Jill-Inge aus Wocken

Dem Maddox gepflegt in die Glocken

Der trifft nun im Chor

Wie niemals zuvor

Die Höhen, ganz ohne zu stocken



– Volker Teodorczyk –



 


Oderufer 1947 



– Kinderbeine baumeln 

Von den Mauerresten 

Auf den Wellen taumeln 

Halbwegs Richtung Westen 

Kleine Schiffsfiguren 

Sie vollführen Tänze 

Auf der Strömung Spuren 

An und auf der Grenze 


Cześć! Ertönt‘s von Weitem 

Von der Ufer Auen
Auf den Feindesseiten 
Wo sich Arme trauen 

Aufgeregt sich strecken 

Über Grenzanlagen 

Und sich nicht verstecken 

Mutig Freundschaft wagen 



– Volker Teodorczyk –