Braunkohl mit Pinkel 

bei Oma Ilse 



– Ich will so gern zu Oma Ilse
Die kleine Wohnung dampft 
Nach Haarspray und Zigaretten 

Mit Lockenwicklern steht sie an der Tür 

Du bist zu früh Junge 


Opa Karlheinz im Unterhemd liest Bild 

Schimpft auf die Welt
Raucht seine Lux
Das darf alles nicht wahr sein Aron 

Dann legt Oma mir Braunkohl auf den Teller 

Endlos Kartoffeln
Scharfe Pinkel
Wir drei essen wortlos 

Und ich weiß jetzt auch nicht 

Ob ich jemals
Mit ihnen gesprochen 
Habe 



– Aron Manfeld –



 


Haiku



 – die Fliege spurtet
den Wettlauf an der Scheibe 
gewinnt der Tropfen 



 – Dirk Tilsner –



 


Bauwaise 



 – Wie ich da in meinem Nest 

sitze, in die Bemme beiße, 

kommt ein Sturm (aus Budapest), 

rüttelt mich beziehungsweise 

an dem Haus, im Gegensinn 

wanken Ziegel, danken leise 

ab und segeln sonstwohin, 

Fenster, Türen – braune, weiße 

springen fort! O welche Not, 

selbst der teure, seltsam heiße 

Kandelaber stellt sich tot! 

Alles wackelt, Schrank und Fach, 

Fluten tropfen eimerweise 

durch das offne Schindeldach, 

Balken stürzen, eine Schneise 

der Verwüstung ist mein Heim, 

das ich grad in eignem Schweiße 

bauen ließ. Am Bahngeleise. 


Himmelherrgottnochmal Scheiße! 



 – Andrea M. Fruehauf –



 



Gesamtkunstwerklich



 – Ich bin ein wirklich schöner Hund! Und Sie?
Ich meine, Sie, als Mensch – wie schätzen Sie sich ein? 
Die Schönheit ist ein Ding an sich, und nie 

Kann wahre Schönheit einfach nur beschlossen sein 


Zum Beispiel in belüfteter Frisur,
Die Unsereinem herzlich gern der Mensch verpasst. 
In meiner ganzen Haltung schönt sich die Natur! 

Und die Belüftung sehe ich als leichte Last, 


Die Unsereiner trägt. Mit Gleichmut. Warum nicht? 

Ich bin als Hund gesamtkunstwerklich schön. 

Ich schmücke Alben und Kalender. Ein Gedicht 

Ward meiner Schönheit zugeeignet – nix von Flöhn, 


Wie man es sonst in Hundelyrik häufig findet, 

Hat mir der Dichter ehrabschneidend angehängt, 

Er sieht in mir den Hund, der Blicke bindet, 

Der sich in aufgeklappte Herzen windet 

Und Kenner zu Entzückensschreien drängt. 



 – Peter Welk – 



 


außen



deine tür schließt sich

und ein wind weht mich

aus der sprache


sterne leuchten noch

doch ich habe für sie

keine namen in dieser nacht


vor mir sehe ich

dein fensterloses gesicht

die treppenstufen ins nichts


     dein du verfällt

                vor meinem angesicht

                    mein ich kann nichts tun


welche wege du aber auch gehst

                        ich warte auf dich

an der abbruchkante des dunkels



 – charlotte van der mele –



 


Heimliche Geliebte



 – Galina im blauen Kleid

Deine Spur leuchtet

Im Wollgras

Deine Haarbänder

Flattern im Wind

Heimlich kommst du


Im sprachlosen Herzen

Ein unsägliches Schlagen

Dein Lächeln lodert

Von den geöffneten Lippen

Dein Haar duftet

Meine Augen spiegeln dich



 – AlmaMarieSchneider –



 


Nach dem Gewitter



 – der Himmel immer noch grau verbeult
der Asphalt längst wieder
trocken geleckt
und die ganze Straße eine Landschaft
aus missglücktem Abend
in der kleine Scharen von Tonnen
dichtgedrängt beisammen stehen
als simulierten sie
ein Warten auf säumige Hirten



 – Christian Fechtner –