praça das flores IV



 – du kannst nicht zweimal

den gleichen platz besuchen

es gibt keine wiederholung

eine andere bist du

und auch

die bäume sind gewachsen


doch du kannst wiederkommen


nun sitze ich am brunnen wie

vor jahren schon im schatten

der gummibäume erzähle ich


vom leben von den jahren

von der verlorenen liebe

leise plätschert der brunnen

und ich weine


der kleine schwarze kaffee

im pão de canela

wärmt erinnerungen und

im augenblick

erkenn ich mich


ja wiederholung

gibt es nicht

aber wiederfinden



– charlotte van der mele –


 


Herr Lila

Kindergedicht

– Herr Lila wohnt in einem kleinen Haus,
und manchmal abends geht er aus
und guckt die Bäume an,
die da im Dämmerdunkel stehn
am Weg, den Straßen und Alleen, 
dann stellt Herr Lila Fragen:

«He, Baum, kannst du mir sagen,
wann geht ein Baum, wie du, ins Bett?
Sind deine Träume violett,
die Farben deiner Träume
und die der andern Bäume?
Seht ihr am Tag die Straße grau?
Macht dann die Nacht die Straße blau?
Ist dann der Kirchturm in der Ferne lilagrün,
ein Haus ist gelb und Wolken ziehn
wie schwarze Schafe drüber weg,
die Welt ist jetzt ein großer Farbenfleck, 
der dunkel noch am Boden klebt,
sich bald aus allem Dunkel hebt,
dann schwebt die Welt 
und zieht die Bäume mit sich fort,
dorthin, wo all die Farbentöpfe stehn, 
zu einem Ort,
wo Pinsel liegen,
Farben fliegen,
wo goldne Kutschen über rote Dächer gleiten
wo Kinder mit den Omas 
auf den Silbervögeln reiten …?»

«Halt!», ruft der Baum, «zu Ihren Fragen,
Herr Lila, kann ich heute gar nichts sagen,
wir Bäume gucken in die Welt hinein
bei Regen, Hagel, Schnee und Sonnenschein,
wir stehen drin herum in dieser Welt
und wachsen, weils uns so gefällt.»

«Und Farben seht ihr nicht? 
Und habt auch keine Träume?»

«Wir stehn und wachsen. 
So gehört es sich für Bäume.»

«Ach ja?» – war alles, was Herr Lila darauf sagte.
Und der am nächsten Abend dann 
die Blumen fragte.


– Peter Welk –





Bilddynamik



– in diesem Bild

aus Untergangssonne

am Meer

radelt ein Mensch 

nur solange durch die Idylle

bis

er aus dem Rahmen fällt



– Morphea –





So jedenfalls nicht!



– Ich möchte nicht erschlagen werden,

auch nicht erdrosselt, -dolcht und -stickt,

nicht überrollt von Büffelherden

und nicht zerbombt im Grenzkonflikt.


Kein Unfall soll mein Leben kürzen,

kein Attentat und auch kein Mord,

Ich möchte nicht vom Felsen stürzen,

von Brücken oder über Bord.


Auf keinen Fall will ich verbrennen,

an Krankheit sterben oder Gift,

im Kugelhagel wie John Lennon,

durch Sturz aus einem Sessellift.


Auch lehn ich Tod durch Altersschwäche

genauso ab wie Suizid,

und dass ich mir das Rückgrat breche,

weil sich ein Flusspferd auf mich kniet.


Der Sensenmann hört meine Klage

und sinnt: An Todesarten käm

dann aber gar nichts mehr in Frage …

Na und, Gevatter? Dein Problem!



– Stefan Pölt –



 


Versteckspiel 



– Das leere Notenblatt einer Amsel
an der Stelle wo früher ein Kirschbaum stand 

längst verstummt auch 

das Hüpflied der Heuschrecke 


zwei Handbreit tief im Garten vergraben 

der Name der Nachbarskatze 


aber ich stehe noch immer 

mit dem Gesicht zur Wand und 


hinter mir da gilt es nicht 



– sufnus –



 


seit einhundert jahren



– die eisenkrähen hatten mich zur vorsitzenden

ihrer nachtschatten bestimmt und nun sitze ich

im gemachten nest


befehle den zahlen

gerade zu stehen

zwinge die sonne

in den kreis

[sie gibt sich mir sowieso

viel zu männlich]


am ende der laufbahn lege ich

den vorsitz nieder doch nicht ohne zuvor

eine revolution der denkungsart

verfügt zu haben


für die folgen erkläre ich mich

für nicht schuldig

im sinne der anklage



– charlotte van der mele –




 


Dichter am Werk 

Goethe und Schiller 



– Welche Wörter, fragt sich Goethe, 

reimen sich auf meinen Namen? 

Hirtenflöte, Morgenröte …
das trifft den Geschmack der Damen. 

Das Geschwätz des alten Goethe 

lässt bei Schiller Missmut keimen: 

Hungersnöte, Knoblauchkröte 

zählen auch zu diesen Reimen! 


Was, ruft Goethe, Knoblauchkröte? 

Dann reim‘ du mal was auf Unken! 

Gern, spricht Schiller da zu Goethe: 

Freude, schöner Götterfunken! 



– Martin Möllerkies –