Nordish by nature 



 – am Morgen zogen rotmelierte Streifen 

und ostwärts hob sich Sonne aus der Flut 

das Licht des Tages folgte einer kurzen Glut 

ein letztes Mal nach diesem Meer zu greifen 


den Augen bietet sich ein Möwentreiben 

als würden sie im heißen Wind der Sonne 

mit ihren Schnäbeln ungestümer Wonne 

den Tag verschiebend sich an Wolken reiben 


die Nacht changiert im Lichtermeer aus Strahlen 

und Venus folgt der Scheinbarkeit der Welt 

die langsam in der Dunkelheit zerfällt 


sie würde mit der Nacht den Mond bezahlen 

als Morgenstern sich in den Himmel malen 

die Möwen haben einen neuen Tag bestellt 



– Morphea –



 


Vögel in der Vorstadt 



 – vorm Fenster
probt eine Staffel Tauben wieder und wieder
den jähen Aufflug Richtung Balkons 


auf dem Bürgersteig gegenüber 

hüpfen in wachsender Ungeduld 

die misstrauisch äugenden 

Vertreter der Rabenpolizei 



– Christian Fechtner –



 


Rangordnung 



– Er liegt auf einem Fenstersims 

Wie Cäsar einst auf weichen Kissen 

Und auch sein Blick erinnert vage 

An Saus und Braus in Rückenlage
Die Dekadenz im müden Blick 
Gepaart mit träger Ignoranz 

Sorgt für die nötige Distanz 


Doch plötzlich wird sie überbrückt 

Und mit geschmeidig glatten Gesten 

Gut einstudiert und Nähe suchend 

Schon fest ein Streichelmaß verbuchend 

Ist er mit einem kurzen Satz
An seinem zweiten Lieblingsplatz 

Es ist der Hausfrau Domizil

Sie zelebriert mit großer Ruhe 
Das Öffnungsritual von Dosen 

Befüllt sein Schälchen, kurz liebkosen 

Das Fragen wird nun eingestellt 

Warum er sich ein Frauchen hält 



– Volker Teodorczyk –







Hmhm



– An Regentagen bin ich gern zu Hause
Und schreibe mir ein längeres Gedicht
Und gebe meiner ganz privaten Flause
Durch ein bedeutendes Gesicht – Gewicht.
        
Die erste Strophe füll’ ich mit Natur:
Der Regen prügelt die Kastanienbäume,
Ein alter Schäfer deutet seine Träume,
Und alle Wiesen wechseln die Frisur.

In Strophe zwei folgt dem ein Du–zu–Du:
«Für solches Wetter muss man Kinder haben.»
«Du meinst?» – «Hmhm!» – «Wir sollten einen Knaben?»
«Hmhm!» – «Hmhm, ich ziehe die Gardine zu.»

Ich könnte weiterschildern, dass, und wie das Dass
Dann hinter der Gardine, aber nein,
Nur das: Der Regenknabe wurde was.
Die dritte Strophe soll Fermate sein –

Ich wiederhole mich in Strophe vier:
Die Wolkenknoten werden aufgezogen,
Die Schnecken warten auf den Regenbogen,
Und irgendwo verführt ein Kavalier.

In Strophe fünf geh’ ich mir auf den Leim:
An Regentagen bin ich gern zu Hause,
Der Himmel schickt mich in die Daseinspause,
Ich dümmle, lümmle, leg mich hin und lause
Mir selbst das Fell und suche einen Reim.


– Joe Fliederstein –


 


Krimskrams 



 – Im Wesentlichen hast du, was du brauchst,
Vor allem, wenn du nicht der Jüngste bist.
Dein Hausstand wirkt komplett und trotzdem kaufst 
Du manchmal dies und das, was du vermisst. 


Ein großer Anteil Mist ist wohl dabei, 

Wie du im Lauf der Jahre registrierst. 

Dein Hab und Gut enthält halt allerlei 

Objekte, die du ständig ignorierst. 


Sie lagern teils im Schrank und teils in Kisten. 

Sporadisch räumst du auf, um das, was stört, 

Fein säuberlich und gründlich auszumisten. 


An andren Tagen suchst du ganz beflissen 

Ein Teil, das dir seit eh und je gehört,
Und findest nichts. Du hast es weggeschmissen. 



– Didi.Costaire –



 


Raumgesichter 



 – gestern zeigte mein Zimmer 

sein friedliches Gesicht 

geborgen im weich machenden Licht 

eines Regentages 

verdösten wir
ein paar unordentliche Stunden 

heute morgen steckte die Sonne 

ihre Nase in die dunkelsten Ecken 

und grüßte mit «abgewohnt» 


dem Teppich sträubte sich sogleich die Wolle 

die Tapeten
machten einen Streifen mit
unter dem tastenden Sonnenfinger 

«die eckt an»
meinten die Wände
mit einem aggressiven Ausdruck 
«Fenster zu» rief ich –
der Vorhang hatte nichts dagegen 

Jetzt dösen wir wieder friedlich 

mein Zimmer und ich 



– niemand –



 


Im Fluss der Begegnungen



– eine Kinderstimme
wohnt in dem Hünen
der seinem vorausgeeilten Begleiter
etwas zuruft


kaum im Freien
kappt sie jede Verbindung
zu dem
den das Auge sieht



– Christian Fechtner –