Im leichten Regen


 – unerreichbar für die Scheibenwischer
ein dunkelrotes Blütenblatt
auf der grauen Autostirn


– Christian Fechtner –




Vom Rezitator



– Der Rezitator ist ein Mann der Töne,
die er auf Vorrat hält wie Marinade;
indem er mariniert, entsteht Gedröhne,
und so verwandelt sich das leicht erdachte Schöne
ins unverdaulich töneschwere Fade.


– Peter Welk –




Dada für Tata



 – Heinz war eine Palme 

aus Niedersprockhövel

manche sagen er war

bei seiner Geburt anwesend

befand sich genau neben

seinem letzten Schrei

der klang wie Paris-Brest

ab da reimte er nur noch auf Ulm


Und entsagte der Lyrik

aber wenn er am Strand

von Schorndorf saß

ihm die Kokosnüsse

aus der Aktentasche fielen

rief er mich an flüsterte Junge

buchstabier mirs noch mal

und ich dann so *M*E*N*S*C*


Ich denke oft an ihn

manchmal vergrabe ich

den Schatten einer Palme im Garten

lasse es gut sein


– sufnus –



 

Heimweg



 – Ich bin im Gasthaus, grad kommt Bier,  

da schwankt der Boden unter mir,  

und jäh springt mich der Tresen an –  

nur gut, dass ich ihn stoppen kann.  


Und während ich noch überleg,  

macht sich die Kneipe auf den Weg,  

so dass ich, eh ich mich verseh,  

verlassen auf der Straße steh.  


Der Gehweg schaukelt unter mir,  

die Häuser stehen schief Spalier.  

Mein Haus rauscht fast an mir vorbei,  

dann bremst es, und der Weg ist frei.  


Die Haustür stolpert auf mich zu.  

Sie lehnt sich an mich, doch im Nu  

umgibt mich schon der Korridor  

und hält mir kurz den Spiegel vor. 


Jetzt tut die Zimmertür sich auf,  

die Dinge nehmen ihren Lauf:  

Das Zimmer kippt um 90 Grad,  

das Bett schnellt hoch, das Kissen naht  


und trifft mich mitten im Gesicht –  

ich lass es zu, ich wehr mich nicht.  

Und dann deckt Schwärze alles zu,  

die laute Welt gibt endlich Ruh.  



– Martin Möllerkies –







Zwei Minuten noch!



– Wissen Sie, ich möcht ja richtig möchten,

Und Sie möchten, werter Herr, vermutlich auch,

Zwischen uns stehts gar nicht mal zum Schlechten,

Vor gemeinsamer Enthemmung nur ein Hauch

Hält uns noch, wie sag ichs, auf Distanz,

Zwei Minuten noch, dann könnten wir uns ganz

Sozusagen ineinander denken,

Meinetwegen fällt das Denken auch mal aus,

Und ich fang mal an, mich zu verschenken,

Und Sie nehmen sich was Passendes heraus,

Oder droht schon die Enthemmung zu erkalten,

Und ich sollte einfach nur die Klappe halten?



– Joe Fliederstein –





Frühschicht



– Willi, komm!  noch eine Runde  

kleinet Pils und Appelkorn  

denn um fünf schlägt meine Stunde  

dann beginnt der Mist von vorn  


Willi, komm!  noch eine Lage  

und nich wieder soviel Schaum  

wenn ich jetzt «bezahlen!» sage  

reicht et noch für‘n kurzen Traum  


Willi komm!  noch fünf Minuten  

eine Füllung muss noch rein  

einmal noch die Kehle fluten  

und ich lass dat Drängeln sein  


Willi lass!  nun is et viere  

knapp nach fünfe muss ich raus  

und der Kumpel, der steht Schmiere  

denn ich penn im Stollen aus  



– Volker Teodorczyk – 





 Traumwiesentraum 


– Als ich heute lag im feuchten 
Gras wo blaue Vögel duften 
Bienen grün am Himmel leuchten 
Schmetterlinge brummend schuften 

Flog ein Mondkalb auf mich nieder 
Hob mein Augenlid ein Weilchen 
Sang ein Trinklied brav und bieder 
Und verspeiste flugs ein Veilchen 

Lieblich blinzelnd schlief ich weiter 
Zwitschernd schwiegen meine Lippen 
Gänseblümchen summten heiter 

Und ein Baum fing an zu wippen 
Schmiss mir niesend allez hopp 
Seine Krone auf den Kopp 


Andrea M. Fruehauf