November 30, 2025



Weltformel



 - Auf Nullniveau mit Schwundgebärde

zur Niederkunft - das Einmaleins

der Goetheklasse: Stirb & werde!

Wer jetzt noch «Herz» ruft, der hat keins


und macht sich selber ungeschehen

in Fluchtdistanz zum großen Staunen,

wenn Niemandsnamen uns verwehen

beim Zeitvertreiben (Ablaufraunen).


Und Totstelltricks? Bloß faule Zauber

aus Sinn und Form und Material;

der Letzte wischt den Tatort sauber:

Das läuft schon, Leute! Präfinal


blickt ratlos zwischen Schrei und Schreibe

kein Schwein mehr durch. Die nackten Zahlen

zerformeln sich: Die Welt als Scheibe

mit schlimmer Neigung zum Realen.



- sufnus –



Eine Interpretation des Gedichts von – ubertas –

Vom Titel «Weltformel», dem die Sehnsucht des Strebens, eine gültige Formel zu finden, die Alles in sich vereinend beschreibt, wage ich mich in eine nähere Betrachtung:


Auf Nullniveau mit «Schwundgebärde» sehe ich das Bild eines frei gewählten Ausgangspunkts gesetzt, der in einem Gefüge aus Himmel und Erde beliebig wählbar ist. Somit wird dieser Ausgangspunkt, das Nullniveau, gleichzeitig auch zu einer selbst bestimmten Basis, von der ich den Eindruck habe, sie würde die Welt regeln, ihr Energie zuschreiben, nach meiner Festsetzung, dadurch auch «funktionieren». Dagegen winkt förmlich die «Schwundgebärde», die aufzeigt, dass sich diese Ansichten womöglich bereits in Auflösung befinden und sei es die eigene Wahrnehmung oder auch unser selbst geschaffenes Weltbild schwinden lässt. «zur Niederkunft», ob verstanden als den Weg zur Geburt eines gewandelten, höheren Ichs oder in Anlehnung an das Herabsinken aus unseren oben für uns selbst ausgemachten Fixpunkten, erscheint in der dritten Verszeile «Stirb & werde!» wie ein stilles Ausrufen, in diesem irdischen und überirdischen Zerfallsprozess noch Bestand haben zu wollen, durch Wandel und Erkenntnis. Was wie ein Einmaleins erscheint, wird wie in «Seliger Sehnsucht» beschrieben, zu einer der schwierigsten Aufgaben, zur Wahrheit zu gelangen oder weiter in dunkler Erde ummantelt zu liegen. Ich denke dabei an das Bild des verbrannten Schmetterlings. Erst wenn es gelingt, diese «Aufgabe» zu erreichen, erreicht auch das «Herz» eine Loslösung. 


In der zweiten Strophe finden sich verschiedene «Methoden», die wohl am ehesten das menschliche Versuchen beschreiben. «und macht sich selber ungeschehen in Fluchtdistanz zum großen Staunen». Der Mensch macht sich ungeschehen, er entzieht sich, verharrt mit sicherem Abstand zum großen «Staunen» hin, will es begreifen, kann es aber nicht. Zur gleichen Zeit wird ihm bewusst, dass er endlich ist und «Niemandsnamen» uns verwehen können, während wir uns die Zeit damit vertreiben, dem Ablauf einer Bewusstwerdung nachzuflüstern. Es weht der Wind der Vergänglichkeit um ihn.


Die Frage «Und Totstelltricks?», die Freunde und Feinde des sich schützen wollenden, aber blinden Geistes, sie werden entlarvt in der dritten Strophe. «Bloß fauler Zauber aus Sinn und Form und Material»; diese Formulierungen deuten an, dass die «Weltformel» wohl nicht in den gegebenen Statuten zu finden ist, sich dieser von uns festgelegten Ordnung sogar zu entledigen scheint. Nach seiner Suche widmet sich der Mensch wieder dem, was er erkennen kann und gibt sich ebenso geschlagen. «der letzte wischt den Tatort sauber: Das läuft schon, Leute!» Er gibt die Verantwortung für sich selbst ab. Präfinal als Vorbote seiner sich entschuldigen wollenden Vergänglichkeit. 


Was bleibt ihm letztlich? «blickt ratlos zwischen Schrei und Schreibe kein Schwein mehr durch»: Sein Bemühen zwischen dem Rufen, Ausschreien, seiner nach Hilfe schreienden Fragen und dem, was er sich dazu niederschreiben will, dazwischen bleibt nur das «und». Da kein Schwein mehr durchblickt, macht es nur Sinn für ihn, dass sich auch die Fakten «zerformeln», sie brechen auseinander, die «Zahlen» lösen nicht sein Rätsel. Die als Scheibe wahrgenommene Welt zerspringt zwar nicht, aber sie neigt sich hin zum «Realen». «Mit schlimmer Neigung» nimmt sie sich die Substanz.

– ubertas –



November 29, 2025



Mein Kälbchen



 – Lieb stöckelst du vom Bohlenbrett gebunden

Hinab zur Hölle die dein Fleisch begehrt

Das was du bist im Tode nur verehrt

Verkehrt hängst du schon bald in ein paar Stunden


In Reih und Glied gleich zwischen deinen Alten

Die eben noch Familie Heimat sind

Frau Kuh Herr Stier und du das Rinderkind

Am Haken Kälbchen werdet Ihr erkalten


Sei froh du Vieh dass Gott dich dämlich schuf

Nachdem er sich beim Menschen schwer vertan

Der sich am liebsten selber fressen tät 


Du muhst das Schwätzen wäre mein Beruf 

Ganz Recht hast du ich schwätz von Pietät 

Zerkaue dich dabei wie Marzipan



– Aron Manfeld –



November 28, 2025



Winter 



– Ein Flugzeug fliegt in Seitenlage 
Es hält die Position nur vage
An Bord befindet sich der König 
Der Rauschgiftgang von halb Venedig 

Es feiern Dealer, Hintermänner 
Auch der Pilot schnupft wie ein Kenner 
Fühlt sich beschwingt und vogelfrei 
Und greift am Steuerknauf vorbei 

Nun wird der Flug sehr unbequem 
Doch sich beschweren? Und bei wem? 
Und dann am Berg, die Havarie 
So viel an Schnee gab‘s da noch nie 



– Volker Teodorczyk –


November 27, 2025



paralyse



in dir legt sich dunkel auf das

an halt ende ein aus

und wieder die suche nach der frage


ja. atme. immer noch!


findest sie nicht

hast mit ihr gerungen, zu lange

glaubtest sie besiegt, endgültig


doch dieser schatten

ein ... blick ... fällst hinab in ihre asche

und diese trübe

aus ... halten ... driftest durch ihren vampiratem

und dieses echo

ein ... brechen ... verdorrst in ihrem sirenengesang

und dieses erinnern

aus ... weg ... fühlst ihr keusches gewicht


immer noch. ja. atme!


ein ... sie war sie ist sie bleibt

aus ... vermächtnis jedes tages

ein ... geißel jeder emotion

aus ... provokation jeder nacht

ein ... tränen jedes kusses

aus ... das wimmern vor dem augenaufschlag

ein ... die unendliche leere in deiner brust

aus ...


die frage? vielleicht gibt es sie wirklich nicht mehr

nur die zeit. so verdammt viel zeit


atme. immer noch. ja!



– Marcus Sommerstange –



November 26, 2025

 


Das Jahr neigt sich 

dem Ende zu



 – Das Jahr neigt sich dem Ende zu,

die Felder legen sich zur Ruh

von Flocken sanft bedecket,


da hast wohl, frecher Winter, Du

gar hurtig Schnee und Frost im Nu

aus tiefem Schlaf erwecket.


Die Nacht erstarrt in kaltem Blau,

die Feldmaus träumt in ihrem Bau

von Bucheckern mit Schleifen,


und ich bin kurz vor Gaggenau

der Grund für einen Megastau

mit meinen Sommerreifen.



 – Rudolf Anton Fichtl –



November 25, 2025



An Gustav Goldfisch



 – Oh Fisch aus Gold orangenrot im Rund

Des Glases schwimmst von links nach rechts umher

Von rechts nach links und glaubst du wärst ein Herr

Verblubberst Bläschen aus dem Schmollemund


Was magst du Blender denken frag ich dich

Ans Geld ans Weibchen Butterbrot und Mord 

An unbezahlte Rechnungen kein Wort

Entglitscht dir Schweiger aber sicherlich


Vergisst du stets am Ende deiner Bahn

Vergangenheit sonst könntest du nicht gleich 

Erneut den ewig alten Weg zurück 


Ertragen stets im eingespielten Tran

Gefangen in dem satten Goldfischreich 

Beneide ich dein stilles Daseinsglück 



– Aron Manfeld –



November 24, 2025



Canción de amor



 – Dulzinea von Toboso,

Deine Wimpern schlagen leise,

Deine Augen malen Kreise,

Deine Lippen glühen rot.


Dulzinea von Toboso,

Ach, so sternenferne Schöne,

Du, ich seh dich nur in Schatten,

Welche mir die Nächte werfen.


Dulzinea von Toboso,

Ach, wann werd ich dich berühren,

Denk dich hinter tausend Türen,

Träum die Sehnsucht bis zum Tod.


Dulzinea von Toboso,

Ewig will ich nach dir suchen,

Seh dich hinter allen Blicken

Und Gedanken unenträtselt.



– Peter Welk –